Kaltstart
wie bei Rudi Carell, und erkläre mit fester Stimme, das sei unakzeptabel. Er bedauere, eine andere Lösung kenne er nicht. Ich könne mich aber an das ECSC wenden, das “European Customer Satisfaction Center”, um mich zu beschweren und eine Wiedergutmachung zu erlangen. Die Adresse hat er da, ja. Als ich auflege klingeln meine Ohren vor Wut. Ich bestelle die Karte zum Preis von 98,00 DM. Schon nach knapp zwei Wochen ist sie da. Sie wird sofort erkannt. Ich werfe den anderen USB Root Hub und den USB Host Controller aus der Systemkonfiguration, starte den Rechner neu, und die Karte steht im Geräte-Manager da wie eine Eins. Ein Gedicht. Dann schließe ich den Scanner an, und er wird nicht erkannt. Es geht ein Zug nach nirgendwo, und der Universal Serial Bus hat das gleiche Ziel. Es ist 17.30 Uhr an einem Montagabend. Ich halte ein Kabel in der einen, eine Betriebsanleitung in der anderen, stehe vor meinem Schreibtisch, und lege den Kopf in den Nacken, vor Erschöpfung, Enttäuschung und Wut bebend. Bei Hiob mag es um mehr gegangen sein, aber er hat das Gleiche gefühlt, dessen bin ich mir sicher. Ich werfe das Kabel und die Bedienungsanleitung hin und rufe den bekannt guten Service der Herstellerfirma an. Als mir das Fräulein vom Call Center bedeutet, alle Techniker seien gerade belegt, antworte ich ihr:
“Hören Sie. Ich habe sechs Wochen auf ein Austauschgerät für meinen ursprünglichen Scanner gewartet und zwei Wochen auf die Schnittstellenkarte, mit der er garantiert funktioniert. Diese Schnittstellenkarte ist mir von einem Ihrer Techniker empfohlen worden. Der Scanner funktioniert nicht. Und ich brauche für dieses Problem eine Lösung. Jetzt.”
Meine Stimme zittert so seltsam, und sie hat auch einen komischen Klang. Ich wäre beeindruckt von jemand, der so redet, und das Fräulein vom Call Center ist es auch. Sie stellt mich sofort zu einem Techniker durch, und als er rangeht, weiß er Bescheid: “Kunde dreht gleich total durch, bitte nett sein.” Ich schildere zum zweihundertfünfzigsten Mal mein Problem, und der Mann hört mir geduldig und aufmerksam zu. Er dirigiert mich durch ein paar Lösungsansätze, die alle nichts bringen. Ich schwitze wie ein Tier, weil ich ihm am Telefon beweisen will, dass ich nicht einer der üblichen Doofmänner bin, die sich Computer kaufen, und dann nicht wissen, was sie damit machen sollen. Es fruchtet alles nichts. Um 18.10 Uhr sagt der Techniker:
“Entschuldigen Sie, aber ich sollte seit 10 Minuten im Feierabend sein. Ich mache für Sie eine extradicke Ausnahme: Morgen, gleich nach Arbeitsbeginn, rufe ich Sie von mir aus an. Ich darf das nicht, aber ich tue es trotzdem, verstehen Sie. Ich will dass dieses Problem gelöst wird, und es ist lösbar. Vertrauen Sie mir.”
“Ja”, sage ich krächzend.
“Also. Sie tun jetzt bitte das, was ich Ihnen zuletzt vorgeschlagen habe, und dann rufe ich Sie morgen an. 8.15 Uhr?”
“Bis dann”, sage ich.
Ich schaue auf einen Bildschirm. Selbst der Bildschirm scheint zu schwitzen. Ich werde einen letzten Versuch heute Abend machen. Nicht das, was der Techniker mir vorgeschlagen hat. Ich werde Windows 98 neu installieren. Windows 98 liebt es, neu installiert zu werden. Wenn das nicht von Zeit zu Zeit passiert, wird es bockig und tritt in Streik. Knapp eine Stunde später ist das geschehen, und ich zittere, als ich auf das Icon für die Scannersoftware klicke. Ich kann es kaum glauben, als das Gerät sich mit einem elektrischen Summen aus dem Tiefschlaf zurückmeldet, und sich das Bild Stück für Stück in dem Fenster der Scansoftware aufzubauen beginnt. Ich stoße ein animalisches Freudengeheul aus. Ich tanze auf der Bedienungsanleitung des Scanners. Ich scanne Schwarzweiß, ich scanne Text, ich scanne direkt vom Scanner auf den Drucker, ich scanne mit geschlossenen Augen meine eigene Nase. Alles klappt. Ich kann scannen. Ich bin reich, schön, berühmt, glücklich, und das Leben hat einen Sinn. Ich bin kein Doofmann. Ich weiß, wie man solche Probleme löst. Sieht man ja. Ich kann scannen. Der Techniker hält sein Wort und ruft um 8.15 Uhr genau am nächsten Morgen an. Es wird ein kurzer Anruf. Ich erkläre ihm, dass ich das Problem gelöst habe. Er ist völlig verdutzt und fast ein bisschen enttäuscht, scheinbar hat er sich noch nach Feierabend über die Sache Gedanken gemacht. Der Scanner funktioniert hervorragend. Ich arbeite so flüssig damit, dass es mir nicht mehr auffällt, wie wichtig er für meinen Alltag ist.
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