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Kaltstart

Titel: Kaltstart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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ist das Prinzip: Wenn du etwas schickes herstellst, und versprichst, es befähige deine Kunden auf magische Weise ihren Konkurrenten voraus zu sein, dann ist es fast egal, ob es diese Versprechungen auch erfüllt. Wichtig ist das universale Rattenrennen aller gegen alle, in dem die Wettbewerber nach einem Zauber gieren, der sie gewinnen lässt. “Schaffe eine Phantasmagorie der Superiorität, und beute sie aus”: Das ist die ultimative Maxime eines Computerherstellers, und in dem Versprechen, Superiorität zu ermöglichen, liegt die deutlichste Gemeinsamkeit zwischen den funkelnden, immer neuen Produkten der Computerindustrie, und dem Kokain. Die cutting edge ist die cutting edge der Rasierklinge in dem weißen Pulver. Beides funktioniert nicht, aber wenn die Ware verschoben ist, spielt das keine Rolle mehr.
    Der große Unterschied ist natürlich der, dass man mit Computern viele tatsächlich sinnvolle Dinge tun kann, und mit Kokain nur sehr wenige (zum Beispiel Augenoperationen). Aber da die Computer in so erschreckend vielen Fällen nicht das tun, was sie sollen, bedürfte es einer großen Veränderung. Voraussetzung für eine echte Veränderung wäre eine sinnvolle Normierung von Technologien, die nicht der Industrie vorbehalten bleibt. Meiner Ansicht nach muss nicht jeder einfach damit leben, dass sein Computer so häufig abstürzt, denn das ist kein Schicksal, sondern hat Methode. Meiner Meinung nach sollte es nicht vorkommen, dass ein Rasselbande von Herstellern eine beliebige Anzahl von nicht oder schlecht funktionierenden Geräten herstellt und vertreibt. Für die Leute, die mit Computern wirklich arbeiten und nicht nur daran herumbasteln wollen, sollte es etwas wie einen sicheren Sektor geben. Es ist mir zunächst gleichgültig, ob das der Staat übernimmt, oder eine weltweit verteilte Benutzer-Gemeinschaft nach Art der Linux-Community, die sich dafür verantwortlich fühlt, es sollte einfach nur geschehen.
    Und wenn es die Enteignung der Computergrößen und ihre Unterstellung unter öffentliche Kontrolle bedeutet: sei’s drum. All diese Firmen haben sich mit der Produktion von Müll einen goldenen Hintern verdient, sie sollten endlich tun, was sie andauernd versprechen: Sinnvoll funktionierende Maschinen herstellen. Stattdessen wird den Benutzern pausenlos eingeredet, sie seien zu dumm, und sie müssten sich nur noch eine weitere Stufe zur subhumanen Blödheit ihrer Maschinen hinabbegeben, und dann würde das schon klappen. Gar nichts klappt, und es hat viel zu oft mit “menschlichem Versagen” nichts zu tun. Wer einmal in einer Firma, die auf Computer angewiesen ist, die Sysadmins von Notfall zu Notfall hat laufen sehen, wer einmal wirklich kurz vor einer wichtigen Deadline sein Projekt durch einen Maschinenfehler zerspant sieht (und das Backup auch), der weiß, was er von den schicken Anzeigen der Hersteller eigentlich zu halten hat, selbst wenn er nicht anders kann, als auf die nächste Gerätegeneration umsteigen, weil die Welt es verlangt.
    Das groteske Missverhältnis zwischen der Hardware- und Software-Entwicklung sollte genauso öffentlicher Prüfung und Kontrolle unterworfen werden. Die Hardware ist der Software um mehrere Generationen voraus (wie jeder Windows-Benutzer bei einem Blick in das Systemverzeichnis von Windows feststellen kann), und in mancher Hinsicht gleichen moderne Maschinen Riesen, die mit Kindersandschaufeln Berge abtragen sollen. Es ist natürlich eine Lösung, die Riesen in den Kraftraum zu schicken, ihnen Wachstumshormone zu verpassen und sie immer schneller arbeiten zu lassen, eine rechte Schaufel tät’s aber auch. Wirklich intelligente Software würde eine Menge Hirnschmalz verbrauchen, viel Zeit und Geld kosten, aber die Ersparnisse an giftigen Schwermetallen und Epoxydharzen könnten gewaltig sein, weil die vorhandenen Rechnerkapazitäten zu Abwechslung einmal wirklich ausgenutzt würden.
    Aber der Kapitalismus möchte nicht sparen, das stört den Absatz, und der Absatz, der muss gesichert sein, auch wenn wir dabei überschnappen. Microsoft hat uns darüber belehrt, wie eine Firma mit mittelmäßigen bis hundsmiserablen Produkten aus dem so genannten freien Wettbewerb als nahezu allmächtiges Monopol hervorgeht. Die Lehre aus dem Microsoft-Alptraum wäre natürlich nicht, Microsoft bloß zu zerschlagen, sondern so etwas wie Microsoft von vorneherein unmöglich zu machen. Bis dahin werden wir davon träumen müssen, ein Gerät zu erwerben, und es einfach zu benutzen,

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