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Kaltstart

Titel: Kaltstart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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bis es seine Nützlichkeit aufgebraucht hat.

Pretty good privacy forsaken

    Ich habe beschworen, gebeten und gebettelt. Ich habe Disketten mit dem Programm verteilt und eigenhändig personalisierte Bedienungsanleitungen dafür geschrieben. Ich habe Leute en masse et en détail auf das Problem hingewiesen, und hätte mir manchmal gewünscht, ein Geheimdienstler an der rechten Stelle zu sein, der den Arglosen zum Test die Unterhosen auszieht, und die Ergebnisse auf öffentlich zugänglichen Websites präsentieren kann. Und am Schluss habe ich es aufgegeben. Meine Freunde wollten es nicht. Sie wollten PGP nicht benutzen. Die Ausreden waren die üblichen: “Liest doch eh keiner.” “Hab doch keine Geheimnisse.” “Ist mir zu umständlich.” Wie will man auch einem Benutzer die PGP-Revolution deutlich machen, der den Computer ohnehin nur als bessere Schreibmaschine sieht, und es einfach als Gottesgabe hinnimmt, dass er jetzt Briefe durch die Telefonleitung schicken kann, ohne sich über die Konsequenzen auch nur im Geringsten Gedanken zu machen? Wie will man die Leute über die Ungeheuerlichkeit der Tatsache aufklären, dass sie völlig vertraulich mit andern kommunizieren können, und zwar mithilfe ihres Computers, dass sie Geheimnisse vor ihrer Regierung haben können, wo es doch seit Jahrtausenden die unumstößliche Regel ist, dass die Regierung Geheimnisse vor dem Volk hat, und nicht umgekehrt, selbst dort, wo sie angeblich demokratisch von diesem Volk gewählt worden ist? Wie will man andere zum Ausgang aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit mobilisieren, wenn Unmündigkeit so locker ist, so leicht geht, wie das Abschicken einer unverschlüsselten E-Mail? PGP mag längst geknackt sein, der Vorsprung verloren, immerhin stammen die grundsätzlichen Technologien aus den Siebziger Jahren. Aber es war und ist eine Revolution: Zum ersten Mal in der Geschichte ist es gelungen, die Bürger schlauer zu machen als den Staat. Das wäre ein mächtiger Grund, tief aufzuatmen. Es wäre der Sturm auf das Winterpalais und auf die Bastille in einem, es wäre eine gute Möglichkeit zu sagen: Wir selbst. Aber reziprok zu dem Spruch “Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin”, könnte man das Verhalten der Computerbenutzer angesichts von PGP so beschreiben: “Stell dir vor, die Freiheit bricht aus, und keiner macht die Tür auf.” Und daher wird PGP und Vergleichbares nur von den Computerfreaks genutzt, die wirklich wissen, was sie mit ihren Maschinen anstellen können (und der Staat mit seinen) und von den Kriminellen, um die es dem Staat eben nicht geht, weil er sie entweder einzeln besuchen kann, oder weil er von ihnen gekauft ist. Die meisten, denen es wirklich nützen könnte, sitzen schafsdumm in der Gegend herum, und bohren sich in der Nase.
    Ein paar engagierte Computerhacker haben uns die Möglichkeit gegeben, staatlichen und anderen Spannern die Tür vor der Nase zuzuschlagen, die Gedanken im Wortsinn frei zu machen von der Belästigung der paranoiden Machthaber, und das war nur möglich durch die weit verbreitete Benutzung von PCs. Wenn heute schon die totalitären Agenten des Marktes alles über uns wissen, und wenn morgen irgendein Schwachkopf daherkommt und ein wirklich totalitäres Regime errichtet, das jedes Flüstern aufzeichnet, ohne dass wir irgendetwas dagegen in der Hand haben, dann sind wir selbst schuld.

BlattSchuss (Objektorientiertes Programmieren)

    Mein Vater wollte einmal Jäger werden. Er bereitete sich sogar halbkonkret auf die entsprechende Prüfung vor, indem er sich ein Buch namens “Der Jägersmann – Notwendiges Wissen für den Jagdschein” kaufte. Das Buch war braun, und auf dem Einband waren die Mündung einer Drillingsbüchse und das Geweih eines jungen Hirsches abgebildet. Mich faszinierten natürlich vor allem die Knarren. Erstaunlich, was es da alles gab. Schrot fand ich doof, da konnte man nur zweimal abdrücken, so ein Repetiergewehr war da schon was anderes. Mein Vater war immer kurz davor, sich wirklich in die Materie hineinzuknien, wirklich die Prüfung zu machen und zu bestehen, wirklich einen Hund und ein Gewehr zu kaufen, wirklich ein Jäger zu sein. Es hätte ihm sicher gefallen. Er war gern draußen, und auf Recht und Ordnung hatte er immer ein Augenmerk, wenn er selbst nicht allzu unangenehm davon berührt wurde. Ein Jäger ist ja der legalisierte Wilderer, und der Kriminelle lebt im Beamten fort, ihr Blutdurst ist der gleiche, die Jagd ist die gleiche.

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