Kalymnos – Insel deines Schicksals
„Ich habe ihn vorhin erst abgewischt. Er müsste eigentlich sauber sein. Wenn auch nicht so, wie du es von zu Hause gewohnt bist."
3. KAPITEL
Während Doneus in der Küche verschwand, um Kaffee zu kochen, nahm Julie Platz und besah sich den Raum genauer, in dem sie sich befand. Das war ja eine ziemliche Bruchbude! Auf dem nackten Steinfußboden standen einige armselige Möbel, vor dem Kamin lagen mehrere verrostete Pfannen und Töpfe. Die Wände waren weiß getüncht, die Tür war braun gestrichen. Dort, wo sich einst die Türklinke befunden hatte, prangte ein schwarzes Loch. Auf einer Anrichte stand allerlei Krempel, und an der Wand hingen zwei Ikonen. Julie musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen, denn die Darstellung der Jungfrau Maria und des Heiligen Petrus wollten so gar nicht in diese armselige Hütte passen - zumal dessen Inhaber zu allem Überfluss den heidnischen Namen Aidoneus trug.
Zu ihrer Überraschung legte Doneus, bevor er den Kaffee servierte, eine blütenweiße Damastdecke auf den kleinen Tisch, und auch das Porzellan, mit dem er deckte, schien sehr erlesen. Sicher hatte er es bei einer Haushaltsauflösung günstig erstanden, aber die Aussicht, ihren Kaffee nicht aus einem Blechnapf trinken zu müssen, sorgte immerhin dafür, dass Julie sich nicht mehr gar so unwohl fühlte. Und als Doneus schließlich noch eine Kanne mit warmer Milch brachte, konnte sie ihren Kaffee so trinken, wie sie es von zu Hause gewohnt war. Ihr Gastgeber hingegen bereitete ihn zu, wie es in seiner Heimat üblich war. Er goss die zähe schwarze Flüssigkeit in eine kleine Tasse und tat mehrere Löffel Zucker hinzu.
„So lässt es sich doch gleich viel entspannter plaudern, findest du nicht?" fragte er Julie, als er ihr gegenüber Platz genommen hatte. „Darf ich aus der Tatsache, dass du dich nach Kalymnos begeben hast, schließen, dass du bereit bist, meinen Vorschlag anzunehmen?"
„Da es sich bei Ihrem Vorschlag, wie Sie es nennen, um blanke Erpressung handelt, Mr. Lucian ..."
„Doneus", unterbrach er sie.
„Ich glaube kaum, dass mein Aufenthalt von so langer Dauer sein wird, dass er solche Vertraulichkeiten rechtfertigt", entgegnete Julie gereizt.
„Angesichts der Tatsache, dass wir bald heiraten werden, scheint es mir durchaus angemessen, dass wir uns beim Vornamen nennen."
Julie verschlug es fast die Sprache. „Ist das Ihr Ernst?" fragte sie stockend.
Es schien, als müsste Doneus über diese Frage erst nachdenken, denn statt sofort zu antworten, musterte er Julie erneut. „Mein voller Ernst", erwiderte er schließlich. Bildete sie es sich nur ein, oder hatte in seiner Stimme tatsächlich eine Spur von Unsicherheit gelegen?
„Aber Mr. Lucian, Sie können mich nicht ernsthaft heiraten wollen. Allein der Gedanke ist absurd. Und Sie wissen das so gut wie ich."
Erneut zögerte er mit seiner Antwort und begann dem Hund den Hals zu kraulen, der den Kopf auf seinen Schoß gelegt hatte. Dann fragte er sanft: „Warum bist du denn sonst hergekommen, Julie?"
„Miss Veitrovers", bat sie sich erneut aus.
Der Blick seiner dunklen Augen wurde unversehens eiskalt. „Warum du gekommen bist, will ich wissen", wiederholte er fordernd.
„Um Ihnen das Ganze auszureden." Diesmal unterbrach Julie sich selbst. Es wäre besser, sie würde sich ein wenig diplomatischer ausdrücken. „Sie dürfen nicht glauben, ich stünde dem, was Ihnen damals widerfahren ist, gleichgültig gegenüber, Mr. Lucian.
Im Gegenteil, ich kann absolut nachfühlen, wie stark Ihr Wunsch gewesen sein muss, sich an meiner Familie zu rächen. Aber seither sind viele Jahre vergangen, und Sie sind älter und reifer geworden. Es fällt mir schwer zu glauben ... Ich wollte sagen, so, wie ich Sie kennen gelernt habe, machen Sie nicht den Eindruck, dass ..."
Julie verstummte, weil ihr ihre Worte so Unbeholfen vorkamen.
Aber Doneus hatte auch so verstanden. „Du hast dir den Mann, der nach so vielen Jahren immer noch auf Rache sinnt, weniger ... nennen wir es mal weniger kultiviert vorgestellt, stimmt's?"
„Stimmt", erwiderte Julie leise.
„Ich fühle mich durchaus geschmeichelt." Doneus griff nach seiner Tasse. „Aber ich muss dich enttäuschen, Julie. So kultiviert, dass ich das Versprechen, das mir dein Onkel damals gegeben hat, vergessen könnte, bin ich nun auch wieder nicht. Ich werde nicht eher Ruhe geben, bis deine Familie den Schaden, der mir damals entstanden ist, wieder gutgemacht hat. Und das bedeutet nun einmal, bis du
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