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Kalymnos – Insel deines Schicksals

Kalymnos – Insel deines Schicksals

Titel: Kalymnos – Insel deines Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Hampson
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solch ungeheuerliche Drohungen ausstieß. „Mr. Lucian, so nehmen Sie doch endlich Vernunft an!" flehte sie fast.
    „Hat dein Cousin etwa Vernunft angenommen, als das Mädchen ihn auf Knien angefleht hat, sie nicht zu verstoßen?"
    Julie schlug sich die Hände vors Gesicht. Langsam dämmerte ihr, wie sehr sie ihn an seine Verlobte erinnern musste. Sie musste damals genauso jung und unerfahren gewesen sein wie sie, Julie, heute. Und ganz offensichtlich machte sie das in seinen Augen ähnlich begehrenswert wie vor zehn Jahren seine Verlobte.
    „Aber Sie können mich doch nicht für Alastairs Verfehlungen verantwortlich machen", protestierte sie.
    „Du gibst also zu, dass er schuld an ihrem Tod ist?"
    „Selbst wenn, gibt Ihnen das noch lange nicht das Recht ..." Julie unterbrach sich, weil sie spürte, dass ihr Tränen in die Augen traten. „Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich alles? Sie haben ja doch kein Herz!"
    „Dafür sind allein dein Onkel und sein feiner Sohn verantwortlich."
    „Aber ich doch nicht!" rief sie empörte aus.
    „Immerhin gehörst du zur Familie. Und wir Griechen nehmen das Wort ,Familie'
    überaus ernst. Wir stehen füreinander ein - auch wenn es unangenehme Konsequenzen hat."
    „Ich bin Engländerin, Mr. Lucian, nicht Griechin."
    „Setz dich wieder, Julie", befahl er und ignorierte ihren Einwand. „Möchtest du noch eine Tasse Kaffee?"
    „Nur unter der Voraussetzung, dass wir die Angelegenheit
    noch einmal in aller Ruhe besprechen."
    „Wenn du unsere Hochzeit meinst, gern."
    „Schlagen Sie sich die endlich aus dem Kopf!"
    „Ist das dein letztes Wort?"
    „Mein allerletztes."
    „Du weißt, was das bedeutet?"
    Doneus schien tatsächlich fest entschlossen, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
    Gab es denn wirklich keinen Ausweg? Julie dachte an Lavinia, die von all dem nicht die leiseste Ahnung hatte. Es würde ihr mit Sicherheit das Herz brechen, wenn sie erfuhr ...
    Um ihrer Freundin willen beschloss sie, einen letzten Versuch zu unternehmen, Doneus umzustimmen. „Nicht einmal Sie können so grausam sein, Lavinia das anzutun.
    Sie kennen sie nicht. Lavinia ist ein so unschuldiges Geschöpf, und sie hängt so sehr an Alastair. Außerdem hat Sie Ihnen nun wirklich nichts getan, und zur Familie gehört sie auch nicht."
    „Noch nicht", erwiderte er sarkastisch.
    „Aber sie ist unschuldig!" antwortete Julie entrüstet.
    „Das Mädchen, das vor zehn Jahren sterben musste, war auch unschuldig. Jedenfalls bis es deinem Cousin in die Finger geriet." Doneus schwieg kurz, weil ihm der Gedanke nahe zu gehen schien. „Nein, Julie", sagte er schließlich, „du wirst mich nicht umstimmen. Mein Entschluss steht unwiderruflich fest."
    Julie ließ den Kopf sinken, aber eh sie sich's versah, umfasste Doneus ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. „Tief in deinem Herzen hast du das von Anfang an gewusst, habe ich Recht?"
    Für einen Moment verschlug es Julie die Sprache, so intensiv spürte sie seine Berührung. Aber anstatt sich zu wehren und sich von ihm loszureißen, war sie von der Kraft dieses Mannes wie elektrisiert, und es dauerte eine kleine Ewigkeit, bis sich ihre Erstarrung löste und sie es schaffte, sich seinem Griff zu entziehen. Und selbst dann meinte sie noch, seine warme Haut zu spüren.
    „Sie haben Recht", gestand sie schließlich leise.
    „Und bist du unter diesen Umständen immer noch entschlossen, meinen Vorschlag abzulehnen?"
    „Ihren Vorschlag?" Obwohl ihr überhaupt nicht danach zu Mute war, musste Julie unwillkürlich lachen. „Sie sind von dem Gedanken besessen, sich auf Kosten Unschuldiger an meinem Cousin zu rächen. Und da wagen Sie es tatsächlich, von einem Vorschlag zu sprechen? .Erpressung' ist das einzige Wort, das mir dazu einfällt. Ich denke gar nicht daran, mich von Ihnen erpressen zu lassen!"
    Kurz schien es, als wäre Doneus bei ihren Worten nachdenklich geworden. Aber dann versteinerte sich sein Gesichtsausdruck wieder. „Ich bin sicher, dass du dir das noch einmal überlegen wirst." Und nachdem er sie erneut abschätzig gemustert hatte, fügte er überheblich hinzu: „Um ehrlich zu sein, habe ich nicht den geringsten Zweifel daran."
    „Ich weiß nicht, was abstoßender ist: Ihre Selbstsicherheit oder Ihre Dreistigkeit."
    Noch während sie das sagte, nahm Julie ihren Koffer und ging zur Tür. Wie sehr sehnte sie sich danach, aus diesem feuchten Loch heraus und an die frische Luft zu kommen!
    Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um.

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