Kalymnos – Insel deines Schicksals
Einwand.
„Dabei müsste selbst einem Einfaltspinsel wie ihm doch klar sein, dass eine Ehe zwischen einem einfachen griechischen Schwammtaucher und dem Sprössling eines alten englischen Adelsgeschlechts ein Ding der Unmöglichkeit ist! Aber nein, der sture Bock hält unbeirrt an seinem Vorhaben fest und ist sogar bereit, sich dafür fünfhundert Pfund durch die Lappen gehen zu lassen. Das macht doch alles keinen Sinn. Es sei denn ..."
Er unterbrach sich und schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. „Dass ich nicht gleich darauf gekommen bin! Der Kerl wittert fette Beute."
Julie sah ihn fragend an. „Ich verstehe nicht, was du meinst, Onkel."
„Dann will ich es dir erklären, Julie. Wenn er so viel über unsere Familie weiß, wie du sagst, dann wird ihm nicht verborgen geblieben sein, dass dir deine Eltern ein ansehnliches Vermögen hinterlassen haben. Und genau darauf hat er es abgesehen. Nur so kann ich mir erklären, warum er dich ausgelacht hat, als du ihm das Geld angeboten hast. Wenn du ihn tatsächlich heiraten solltest, bringt ihm das ungleich mehr Geld ein."
Diese Worte trafen Julie wie ein Schock. Könnte das die Erklärung sein, nach der sie die ganze Zeit gesucht hatte? Alles sprach dafür, dass ihr Onkel Recht hatte und Doneus Lucian es einzig und allein auf ihr Erbe abgesehen hatte. Aber warum war sie, da das Geheimnis gelüftet schien, so niedergeschmettert? Warum fiel es ihr so schwer, von der Hoffnung zu lassen, dass er ein ehrlicher und rechtschaffender Mann war, wo doch zweifelsfrei feststand, was er wirklich war: nämlich ein Schuft?
„Jetzt ist guter Rat teuer." Edwin schien der Mut so schnell wieder verlassen zu haben, wie er gekommen war. „Wenn Alastairs und Lavinias Hochzeit platzt, ist Belcliffe House die längste Zeit im Familienbesitz gewesen."
Julie erschrak zutiefst. „Steht es wirklich so schlecht?"
Ihr Onkel stand auf und lief unruhig im Zimmer auf und ab. „Schlechter kann es nicht mehr werden. Dabei haben Alastair und ich alles Menschenmögliche getan."
Wie versteinert sah Julie ihren Onkel an. Am liebsten hätte sie ihn angeschrien und mit Vorhaltungen überschüttet. Stattdessen empfand sie tiefstes Mitleid mit ihm und bot ihm ihr Erbe an, um den Bankrott abzuwenden.
„Das ist lieb von dir", bedankte er sich. „Aber erstens würde ich dein Geld nicht annehmen, und zweitens würde es vorn und hinten nicht reichen, um die Zwangsversteigerung zu verhindern."
Mit diesen Worten setzte er sich wieder und barg den Kopf in seinen Händen. Still sah Julie ihn an. Noch vor wenigen Minuten hatte sie nichts als Verachtung für ihn empfunden, weil er Doneus damals dieses ungeheuerliche Versprechen gemacht hatte.
Aber wie er so dasaß, ratlos und der Verzweiflung nah, verflog all ihr Groll, und Julie empfand nur mehr Dankbarkeit dafür, dass er sie nach dem Tod ihrer Eltern bei sich aufgenommen und wie sein eigen Fleisch und Blut behandelt hatte. Sie trat zu ihm, beugte sich herunter und nahm ihn in die Arme.
„Wir dürfen jetzt nicht aufgeben, Onkel. Doneus wird es nicht darauf anlegen, uns zu ruinieren. Ich fühle es ganz genau." Sie spürte es nicht nur - sie war sich ihrer Sache völlig sicher. Alle Angst war von ihr abgefallen, denn sie war fest davon überzeugt, dass er selbst ihr über Tausende von Kilometern die Nachricht hatte zukommen lassen, dass er nicht im Sinn habe, ihre Familie in den Ruin zu treiben.
Als ihr Onkel den Kopf hob, hatte er Tränen in den Augen. So hatte Julie ihn noch nie erlebt, und der Anblick rührte sie so sehr, dass sie am liebsten selbst geweint hätte.
„Woher nimmst du nur deine Gewissheit, Kleines?" seufzte er und griff nach ihren Händen.
„Vertrau mir, Onkel Edwin", tröstete sie ihn. Nie zuvor war sich Julie einer Sache so sicher gewesen. Was immer Doneus gesagt hatte, er würde seine Drohung nie und nimmer wahr machen - dazu war er viel zu anständig.
Julie sah ihn erst, als sie fast mit ihm zusammengestoßen war. Und hätte er sie nicht im letzten Moment mit seinen starken Armen aufgefangen, wäre sie mit Sicherheit schon über die erste Treppenstufe gestürzt, die zur Kirche hinaufführte. Seine bloße Berührung reichte aus, um sie für einen Moment völlig vergessen zu lassen, warum sie, vor allem aber, warum er hierher gekommen war.
„Du siehst hinreißend aus", flüsterte Doneus, und seine Stimme war wie eine Liebkosung. Dann trat er einige Schritte zurück und zog Julie mit sich, um den Weg für die
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