Kalymnos – Insel deines Schicksals
elf!
Julie sprang aus dem Bett, zog sich schnell den Morgenmantel über und öffnete die Haustür.
Draußen stand Jason und begrüßte sie mit wedelndem Schwanz. Sie beugte sich zu ihm herunter und streichelte ihm das Fell. Plötzlich tauchten vor ihren Augen zwei Schuhe auf, die ihr bekannt vorkamen, und als sie sich langsam aufrichtete und den Blick hob, sah sie direkt in Doneus' Gesicht.
„Wo warst du die ganze Nacht?" fragte sie, nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht."
Ohne zu antworten, drängte sich Doneus an Julie vorbei und verschwand in seinem Zimmer.
Julie rührte sich nicht von der Stelle, bis sich Doneus nach wenigen Minuten umgezogen hatte und wieder aus seinem Zimmer kam.
„Willst du mir nicht endlich erklären, warum du mich unbedingt heiraten wolltest?"
fragte sie fordernd.
Aber seine Antwort ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren. „Willst du mir nicht sagen, wann du endlich nach England zurückkehrst?"
„Ich habe mein Wort gegeben", erwiderte sie und hielt seinem eiskalten Blick trotzig stand. „Und wie du weißt, halte ich mich daran."
„Ich habe dir schon gestern Abend gesagt, dass du aus allen Pflichten, die dir aus unserer Heirat entstanden sind, entlassen bist", erwiderte Doneus ungerührt.
„Heißt das, dass du dich scheiden lassen willst?" Der Gedanke kam Julie zum ersten Mal. Und auch Doneus schien nicht nur ins Grübeln zu kommen, sondern geradezu erschrocken. Und jetzt, da er angestrengt nach einer Antwort auf Julies Frage suchte, war ihm auf einmal anzusehen, dass auch er in der vergangenen Nacht kein Auge zugemacht hatte.
„Es scheint mir das Beste zu sein", antwortete er schließlich. . „Zumal es unter diesen Umständen keinen Grund für dich geben dürfte, noch länger hier zu bleiben."
„Irrtum, Doneus." Julies Entschluss stand unwiderruflich fest. „Ich werde mein Wort halten."
Er war schon halb an der Tür, als er sich noch einmal zu Julie umdrehte und sie misstrauisch musterte. Gern hätte sie gewusst, was in ihm vorging, aber nur ein einziges Wort kam ihm über die Lippen. „Warum?"
„Ich habe auch meinen Stolz", erwiderte sie erhobenen Hauptes.
„Du und dein verdammter Stolz", höhnte er. „Sind Stolz und Mitleid wirklich die einzigen Gefühle, die man dir beigebracht hat? Ich habe die Nase endgültig voll davon.
Mach, dass du hier verschwindest. Und wenn du es nicht tust, dann tue ich es. Solange du dich in diesem Haus aufhältst, werde ich nicht mehr über die Schwelle treten."
„Ich bleibe", sagte sie und war von der Entschiedenheit ihrer Worte mindestens ebenso überrascht wie Doneus. „Erst zwingst du mich, hierher zu kommen, und jetzt willst du mich mit aller Gewalt wieder loswerden. Es scheint mir, als müsstest du dir langsam mal überlegen, was du eigentlich willst."
„Aber Julie ...", begann er und verstummte dann unvermittelt. Der Nachdruck ihrer Worte schien ihn zur Besinnung gebracht zu haben, denn all die Selbstgefälligkeit, die bis eben in seinem Gesichtsausdruck gelegen hatte, war mit einem Schlag verschwunden.
Wortlos drehte er sich um und verließ das Haus. Sekunden später sah Julie, wie er auf seinem Fahrrad um die Ecke verschwand.
So paradox es war, Julie fühlte sich unendlich erleichtert. Nach allem, was sie sich hatte anhören müssen, war Doneus' letztes Wort ihr Name, Julie, gewesen. Es war, als hätte man ihr einen Rettungsring zugeworfen, im allerletzten Moment und während sie sich schon fast damit abgefunden hatte, jämmerlich ertrinken zu müssen. So ernst, wie er sie glauben machen wollte, konnte es ihm mit seiner Aufforderung, sie möge ihn verlassen, dann doch nicht sein.
Wie an jedem Abend in den vergangenen Wochen auch stellte Julie pünktlich um sechs ein Abendessen auf den Tisch, und vielleicht hatte sie sich heute sogar noch mehr Mühe gegeben als sonst. Aber Doneus erschien nicht.
Als er gegen halb elf mit seinem Fahrrad und in Jasons Begleitung um die Ecke bog, schreckte Julie auf. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren und nicht einmal die Petroleumlampe angemacht, sondern im Dunkeln auf der Veranda gesessen und still vor sich hin geweint.
„Hier bin ich", rief sie mit schwacher Stimme, weil Doneus schnurstracks ins Haus gehen wollte.
„Warum sitzt du hier draußen im Dunklen?" fragte Doneus verwundert und riss ein Streichholz an. Wenige Sekunde später verbreitete die Petroleumlampe ihr mildes Licht über die Veranda. „Fehlt dir
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