Kammerdiener gesucht
schauerlich, da irgendwelche Möglichkeiten ins Auge zu fassen. Äh -nun sehen Sie mich nicht an, als redete ich chinesisch! Sie meinten, daß Ihnen der kleine Mann, der mit dem Blonden zusammen dort war, bekannt vorkam?«
»Wenn ich mir wüßte, warum? Für solche mickerigen kleinen Männer habe ich mich niemals interessiert. Bei mir muß einer mindestens wie Lohengrin oder noch besser wie ein Walter Stolzing aussehen, wenn ich nur die eine Augenbraue interessiert hochziehen soll. Aber ich freß einen Besen, wenn ich den Miesling nicht doch kenne.«
»Quer oder längs?«
»Den Besen?« fragte sie lächelnd, da er auf den uralten Kinderscherz einging. »Nun, ich bin für längs. So, und nun geh ich hinein. Hab' für Lina eingekauft. Und Sie?«
»Mache einen Trab zum Postamt im Dorf - Briefmarken fehlen im Schlößchen.«
»Die hätte ja der piekfeine Kammerdiener mit dem noch feineren Auto auch holen können.«
»Was wohl dem Kammerdiener und dem Auto nichts geschadet hätte. Doch mir tut der Spaziergang gut, da ich heute wieder lange auf dem Boden und in der Bibliothek herumhockte. Wir wollen aber vorerst nichts von der Sache mit den beiden Männern sagen.« Sie trennten sich dann mit einem verträglichen und netten Lächeln, und Schirin lud ihre Einkauftasche bei Lina ab. Dann kümmerte sie sich um die Pferde, die leise wieherten, als sie den Stall betrat, sich eine große Schürze umband und fröhlich und kraftvoll an ihr Werk ging.
Gertraude hatte, während Achim ruhen mußte, in dem kleinen Arbeitsraum abgeschrieben, was er ihr am Vormittag diktiert hatte. Achim hatte eine ungemein anregende Art, auch das Trockene in seiner Arbeit unterhaltend zu gestalten. So fand Gertraude alles sehr spannend und wurde nicht müde bei der Arbeit.
Achim kam später wieder zu ihr und fragte sie mit seinem guten Lächeln: »Hatten Sie denn schon Ihren Tee, Fräulein Horn?«
»Den habe ich mir bei Frau Lina bestellt.« Sie deutete zum Fensterbrett. »Ich habe ein Blatt herauslegen müssen, Herr Professor. Beim besten Willen fand ich mich in meinem Diktat mit dem Namen der versunkenen Tempelstadt nicht mehr zurecht. Wollen Sie mir bitte nochmals den Namen sagen?« Sie schaute zu ihm auf, und er fand, daß das Licht der ein wenig rötlichen Sonne wunderhübsch auf ihrem dichten braunen Haar leuchtete. Er beugte sich zum Schreibtisch, nahm ein Blatt und schrieb in lateinischen Buchstaben auf, was sie wissen wollte. Eifrig trug sie dies im Manuskript nach, spannte ein neues Blatt in die Maschine und fragte, die Hände wartend auf den Tasten: »Wünschen Sie zu diktieren, oder soll ich weiter abschreiben?«
»Muß denn immerzu gearbeitet werden? Wir sind doch keine Sklaven.«
»Ich bin aber hier, um zu arbeiten, Herr Professor«, antwortete sie mit reizendem Lächeln.
»Gut, gut, aber es soll nicht übertrieben werden, finde ich. Auf eine Zigarettenlänge könnten wir uns doch ein wenig unterhalten, meine ich?« Damit bot er ihr eine Zigarette und Feuer und versorgte sich ebenfalls. »Haben Sie sich schon im Torhaus Gleichen eingelebt, und fühlen Sie sich wohl hier?«
Lügen, schwindeln - nein, das wollte sie nicht, also antwortete sie ruhig, allerdings ohne ihn anzusehen: »Ich erzählte Ihnen doch schon, daß ich die meiste Zeit meines Lebens auf dem Lande lebte, also bin ich gewissermaßen hier wie zu Hause.«
»Freut mich sehr. Ich finde es hier wunderschön und bin froh, diesen Besitz gekauft zu haben. Allein hätte ich es nicht geschafft, meine Schwester half mit ihrem eigenen Vermögen ein wenig. Je länger ich hier bin, um so mehr bedaure ich die früheren Besitzer, die das alles aufgeben mußten. Ich werde Doktor Schöner, wenn er kommt, einmal fragen, wie und wo die Familie eigentlich lebt. Man ist oft so gedankenlos, wenn es einem gutgeht.«
Gertraude wagte nicht ihn anzusehen, damit er nicht den Ausdruck der Dankbarkeit in ihren Augen bemerkte. Möglichst ruhig sagte sie: »Jedenfalls wäre es für die ehemaligen Besitzer sicher eine Herzensfreude, wenn sie wüßten, wie gut das Anwesen gehalten und gepflegt wird - und vor allen Dingen, daß Sie und Ihr Fräulein Schwester alles im Schloß belassen haben, wie Sie es übernommen haben«, fügte sie hinzu.
»Da wir alles sehr angenehm vorfanden, gab es für uns keine Veranlassung, Änderungen vorzunehmen. Man hätte nur den guten und anheimelnden Stil verdorben. Die alte Lina hat uns beraten und auch erklärt, zu welchem Zweck dieser oder jener Raum
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