Kammerdiener gesucht
Anrichte, wo Kuno fleißig mit Tellern, Bestecken und Gläsern hantierte. »Na also, Kuno, dann los, es wird gegessen. Und mach keinen Quatsch, weil du vielleicht nervös bist.«
»Hast du eine Ahnung, ob Mary wieder etwas ruhiger ist?« fragte er leise zurück.
»Für dich noch immer Fräulein Bergemann, mein Junge. Schließlich bist du hier Kammerdiener.«
»Hui - so streng mit mir?«
»Korrekt müssen sich die Gleichens benehmen. Wir wollen
schließlich nicht alle gemeinsam eines Tages 'rausfliegen, mein Sohn. Also: Fräulein Bergemann hat sich beruhigt, wie mir Fräulein Horn, die eben von droben kam, berichtete. Sonst noch was?«
»Sage ich noch ein Wort, gibst du mir ja doch eine Ohrfeige, also halte ich mein tobendes Liebesweh in mir verschlossen.«
»Auch besser so. Kammerdiener haben kein tobendes Liebesweh, zumal nicht, wenn sie das Abendessen servieren sollen.« Sie grinsten sich gegenseitig an, und Schirin ging zur Küche, wo sie Lina behilflich war, das verspätete Abendessen anzurichten. Ihre Gedanken aber waren bei allem, was in Gleichen, vor sich ging, und sie glaubte, es sei gut, daß die letzten drei Gleichens gerade jetzt hier wären, um von den Besitzern ihrer geliebten Heimat bösen Kummer fernzuhalten.
Gertraude sah Achim im Arbeitszimmer am Schreibtisch stehen. ; Er schaute auf, und eine Sekunde lagen ihre Blicke voll Freude und im Vergessen aller anderen Dinge ineinander. Er beugte v seine schlanke Gestalt ein wenig nach vorn, stützte sich an den Schreibtisch und hielt ihr eine Hand entgegen. Als könne es nicht anders sein, legte sie die ihre hinein und sah ihn ruhig, aber voll unbewußter Innigkeit an.
»Diese Freude wenigstens wurde mir nicht beschattet, Sie zu sehen, Gertraude Horn.«
»All das Häßliche, Sorgenvolle, das für Sie und Ihre Schwester g so plötzlich gekommen ist, wird hoffentlich bald überwunden sein. Ich komme eben von Mary und möchte Ihnen sagen, daß sie sich beruhigt hat. Sie sprach sich zu mir über die Vorgänge von damals aus, und ich denke, das hat ihr gutgetan, Ich muß Ihnen danken, Herr Professor, daß Sie mich zu Mary schickten, denn diese Stunde ließ uns zu Freundinnen werden.«
Ein heiter-frohes Lächeln kam auf sein müdes Gesicht. Fest drückte er ihre feine Hand und sagte gemacht pathetisch: »Ich sei, gewährt mir die Bitte, in eurem Bunde der Dritte.«
»Was an mir liegt und wenn Sie es Ihrer Sekretärin gegenüber richtig finden, soll dieser Schillersche Vers für uns gelten. Haben Sie selbst sich schon beruhigt, einen Plan gefaßt für den Fall, daß dieser Schwede nun tatsächlich zu Ihnen kommt?«
»Daß er kommt, weiß ich sicher, so sicher man fühlt, wenn Unheil kommt. Einen Plan haben wir uns auch schon zurechtgelegt, mein Freund Michel, unsere prächtige Frau Sörensen und ich. Und gute, geschärfte Waffen liegen auch bereit.«
»Wie sich das für einen Kampf in einem alten Ritterschlößchen gehört«, antwortete Gertraude lächelnd. »Ich traf Frau Sörensen in der Halle, und sie sagte mir, Sie wünschten, daß das Abendessen gerichtet werde. Ist es Ihnen angenehmer, ich nehme heute die Mahlzeit mit den anderen Angestellten zusammen, damit Sie mit Mary und Herrn Brunnig allein sind?«
»Noch mehr solche Dummheiten muß ich hoffentlich nicht von meiner bisher als recht gescheit erkannten Sekretärin hören. Ich müßte mir sonst am Ende überlegen, ob ich dieser Sekretärin nicht doch irgendwann einmal kündige.«
»Was der renitenten Sekretärin aber durchaus nicht lieb wäre. Ich sagte Ihnen schon ehrlich, daß ich auf dieser Welt nirgends lieber sein möchte als im Torhaus Gleichen.«
»Nun, dann hätte man ja ein recht wirksames Druckmittel in Händen, für den Fall, man müßte dieser Sekretärin wieder einmal eins -«
»- auf den Deckel geben. So wenigstens würde mein Bruder diesen Satz weiter gesprochen haben.«
»Sie sprechen oft von Ihrem Bruder. Sie müssen ihn sehr lieben, Gertraude.«
»Je näher ich ihn bei mir weiß, um so froher bin ich«, war wieder eine ihrer ehrlichen Antworten.
»Ich würde mich sehr freuen, diesen Bruder bald kennenzulernen, und bitte Sie, dafür zu sorgen, daß es möglich wird.«
Mußte nun aber auch Kuno gerade in diesem Augenblick auftauchen und mit harmlos-blödem Gesicht melden, daß angerichtet sei? Folglich wurde Gertraude glühend rot, was aber Achim nicht bemerkte, da Mary eben herunter kam. Achim ging ihr langsam entgegen, küßte sie herzlich auf die Wange und
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