Kammerflimmern
Roll, ist der beste Freund meines Mannes, nur manchmal ein wenig übereifrig. Es ist im Moment eine ganz schwere Zeit für mich, deswegen habe ich mich über seinen Besuch wirklich gefreut.«
»Gibt es etwas Neues von Ihrem Mann?«, fragte Lenz vorsichtig.
»Nein, leider nicht. Er liegt seit dem Unfall im Koma, und die Prognose ist nicht gut. Wenn er jemals wieder zu sich kommen sollte, ist nicht auszuschließen, dass er ein Pflegefall sein wird.«
Lenz wunderte sich, wie ruhig und abgeklärt die Frau über den Zustand ihres Mannes sprach.
»Ich habe bis heute Nachmittag bei ihm am Bett gesessen, dann ging es nicht mehr, und ich bin zusammengebrochen. Jetzt können wir nur warten und hoffen.«
»Sie haben Kinder?«
»Ja, zwei Mädchen. Neun und sieben. Sie sind bei meinen Eltern. Ich dachte, ich würde noch länger am Krankenbett bleiben, und die beiden sind noch nicht alt genug, um sich alleine zu versorgen.«
»Sie wohnen noch nicht lange hier, wie es aussieht.«
»Nein. Wir sind erst im Sommer hierher gezogen. Vorher hatten wir ein kleines, gemütliches Haus in Kassel. Es war der große Traum meines Mannes, ein solches Haus zu bauen und darin zu leben.«
Erneut wischte sie mit dem Taschentuch über ihr Gesicht.
»Aber Sie sind doch nicht zu mir gekommen, um sich über den Zustand meines Mannes zu informieren; das könnten Sie viel einfacher haben.«
Ihr Blick pendelte zwischen Lenz und Hain hin und her.
»Und wenn ich Sie vorhin richtig verstanden habe, sind Sie von der Kriminalpolizei. Was hat die Kriminalpolizei mit dem Unfall meines Mannes zu tun?«
Lenz nahm kurz den Blick von ihrem Gesicht und sah durch das große Fenster hinaus in den dunklen Garten, bevor er antwortete.
»Es gibt starke Anzeichen für ein Fremdverschulden am Unfall Ihres Mannes, Frau Frommert. Sehr wahrscheinlich müssen wir sogar von einem Verbrechen ausgehen.«
Sie nickte, schien jedoch nicht sofort zu verstehen, was Lenz gesagt hatte. Dann riss sie die Augen auf und sah ihn mit entgeistertem Blick an.
»Ein Verbrechen? Fremdverschulden?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Was reden Sie denn da? Wollen Sie damit sagen, jemand hätte meinen Mann von der Straße gedrängt? Das ist nicht Ihr Ernst!«
»Leider doch«, erwiderte Hain. »Wie mein Kollege schon sagte, gibt es mehr als deutliche Hinweise auf ein Verbrechen.«
Die Frau strampelte mit den Füßen die Decke weg, setzte sich aufrecht und fing an zu schluchzen.
»Wer sollte denn so etwas machen? Wer sollte versuchen meinen Mann … umzubringen?«
»Das wissen wir nicht, aber wir sind hier, weil wir es herausfinden wollen, Frau Frommert«, sagte Lenz beruhigend.
»Hat Ihr Mann Feinde, von denen Sie wissen?«, fuhr er fort.
»Feinde? Mein Mann hat keine Feinde. Wir haben Freunde, aber doch keine Feinde.«
»Gehörte zu den Freunden auch Wolfgang Goldberg?«
»Ja, natürlich, auch Wolfgang. Eine schreckliche Sache, die ihm passiert ist.«
»Wir fragen uns, ob es zwischen dem Tod von Herrn Goldberg und dem Unfall Ihres Mannes einen Zusammenhang geben könnte. Zwei leitende Mitarbeiter der IHK Kassel, die innerhalb von wenigen Tagen Opfer von Verbrechen werden … Da fällt es schwer, an einen Zufall zu glauben.«
»Leider kann ich Ihnen trotzdem nicht mit Feinden dienen, Herr Kommissar. Mein Mann und ich haben zwar nicht viel über seinen Beruf gesprochen, weil mich das nie interessiert hat, aber selbst wenn dort etwas Derartiges vorgekommen wäre, hätte er mir sicher davon erzählt.«
»Was meinen Sie mit ›etwas Derartiges‹?«
Sie sah ihn erschrocken an und überlegte einen Moment. Einen langen Moment.
»Nun ja, etwas Derartiges wie Feindschaft. Sie haben mich doch nach Feinden gefragt.«
»Hat Ihr Mann Ihnen erzählt, wo er am Freitagabend hin wollte? Oder mit wem?«
»Wie Herr Dr. Roll schon gesagt hat, die beiden waren verabredet. Mein Mann hatte mir nicht genau gesagt, wo sie sich treffen wollten, doch in der Regel finden solche Meetings immer im Restaurant ›Pfeffermühle‹ in der Frankfurter Straße statt.«
»Und es war ein Meeting, an dem nur Dr. Roll und Ihr Mann teilnehmen wollten?«
»Das weiß ich leider nicht, Herr Kommissar.«
»Ist es nicht ungewöhnlich, ein solches Treffen am Freitagabend?«
»Die beiden sind befreundet. Sie haben sich oft außerhalb des beruflichen Umfelds getroffen.«
Hain ließ den Blick durch das Zimmer wandern.
»Das ist ein sehr großes, luxuriöses und sicher auch sehr teures Haus, das Ihr Mann sich
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