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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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einem Portemonnaie, das auf dem Tisch lag, und nahm ein Foto heraus.
    »Natürlich, Herr Kommissar. Das ist meine Mutter.«
    Die beiden Polizisten betrachteten überrascht das freundliche Gesicht einer etwa 55 Jahre alten Frau mit leicht ergrautem Haar und dunklem Teint. Allerdings erkannten sie keine Ähnlichkeit mit der Frau, die sich ihnen vor ein paar Tagen als Anna Hohmann vorgestellt hatte.
    Irene Kolb räusperte sich.
    »Darf ich Sie nun im Gegenzug fragen, in welcher Angelegenheit Sie mit meiner Mutter sprechen wollen?«
    Lenz holte tief Luft.
    »Der letzte Chef ihrer Mutter, Wolfgang Goldberg, wurde in der vergangenen Woche das Opfer eines Verbrechens. Wir wollten Ihre Mutter nach ihrem Verhältnis zu ihm befragen.«
    »Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat sich eine andere Frau als meine Mutter ausgegeben. Ist das richtig?«
    Lenz und Hain sahen sich verlegen an.
    »Das ist richtig«, antwortete der Oberkommissar, »allerdings können wir dazu aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen.«
    Sie lächelte süffisant.
    »Und der Chef meiner Mutter, dieser Herr Goldberg, wurde ermordet?«
    »Wie es aussieht, ja.«
    »Dann vermute ich, dass Sie noch eine Menge Arbeit vor sich haben, meine Herren.«
    Wenn das eine Aufforderung gewesen sein sollte, zu gehen, reagierte Lenz mit Ignoranz.
    »Hat Ihre Mutter mit Ihnen über ihre Arbeit gesprochen, Frau Kolb?«
    Sie dachte einen Moment nach.
    »Früher, als ich noch jünger war und hier gewohnt habe, ja. Ich lebe allerdings schon seit mehr als zehn Jahren mit meiner Familie in Kiel.«
    »Wie lange hat Ihre Mutter bei der IHK gearbeitet?«
    »Seit ich denken kann, hat sie nie etwas anderes gemacht.«
    »Und in den letzten Wochen oder Monaten haben Sie nicht mit ihr darüber gesprochen?«
    »Grundsätzlich gab es viele andere Dinge, über die wir gesprochen haben, aber mit fällt ein, dass sie vor ein paar Wochen doch dazu etwas gesagt hat.«
    »Und was?«
    »Sie hat sich hauptsächlich darüber beschwert, dass so vieles anders geworden und die Öffnung der Grenzen zum Osten hin ein schwerer Fehler gewesen sei. Ich habe dem keine große Bedeutung beigemessen, weil meine Mutter immer dazu geneigt hat, die Dinge zu verklären. Früher ist in der Erinnerung der Menschen eben alles besser gewesen, da werden wir später mal keine Ausnahme sein.«
    »Wissen Sie, ob Ihre Mutter ein Tagebuch oder etwas Ähnliches geführt hat?«, wollte Hain wissen und erntete dafür einen anerkennenden Blick von Lenz.
    »Soweit ich weiß, nein, aber mit Sicherheit kann ich es nicht sagen.«
    »Hat Sie von Kollegen oder Kolleginnen gesprochen? Ich denke da vor allem an eine bestimmte, Hedwig Hainmüller.«
    »Doch, natürlich, von dieser Frau hat sie öfter gesprochen, speziell nach deren Tod im Sommer. Meine Mutter war entsetzt, dass sie und ihr Mann das Opfer eines Raubmordes geworden waren. Frau Hainmüller war so etwas wie eine Freundin geworden für sie, obwohl die beiden sich bei der Arbeit selten gesehen haben.«
    »Warum war das so?«
    »Meine Mutter war Sekretärin, Frau Hainmüller Reinigungskraft. Sie kam, wenn meine Mutter bereits am Gehen war.«
    »Und trotzdem haben sich die beiden angefreundet?«
    »Sie hatten ein gemeinsames Thema, ihren Glauben. Meine Mutter ist nach dem Tod meines Vaters vor sechs Jahren in ein tiefes emotionales Loch gefallen und hat seitdem Halt im Glauben an Gott gesucht. Das hat ihr auch geholfen, als sie ihre Krebsdiagnose bekam.«
    »Sind Sie Frau Hainmüller mal persönlich begegnet?«
    »Nein. Ich habe drei Kinder und bin ganz selten in Kassel, weil mein Mann selbstständig ist und wir nicht oft die Möglichkeit haben, Kiel zu verlassen. Dass ich jetzt hier sein kann, verdanke ich meiner Schwiegermutter, die sich bereit erklärt hat, in dieser Zeit auf die Kinder aufzupassen. Ohnehin habe ich der fortschreitenden Religiosität meiner Mutter sehr kritisch gegenübergestanden.«
    »Hat Ihre Mutter über eine Sekte oder etwas Ähnliches gesprochen, bei der Frau Hainmüller Mitglied war?«
    »Daran kann ich mich nicht erinnern, nein. Aber, wie gesagt, diese Seite ihres Lebens habe ich mit Vorsatz ausgeblendet.«
    Lenz nickte.
    »Es ist wahrscheinlich unmöglich, Ihrer Mutter ein paar Fragen zu stellen?«
    Irene Kolb schüttelte den Kopf.
    »Sie ist vor drei Wochen auf Morphine eingestellt worden und braucht natürlich seit längerer Zeit eine Anzahl weiterer Medikamente. Ich befürchte, sie würde Sie nicht einmal richtig wahrnehmen. Manchmal

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