Kammerflimmern
Telefons unterbrach ihn. Mit einem mulmigen Gefühl drückte er die grüne Taste des Gerätes.
»Lenz.«
»Hallo, Herr Lenz. Hier spricht Irene Kolb.«
»Ja, Frau Kolb, hallo. Was kann ich für Sie tun?«
»Bei mir auf dem Küchentisch liegt die CD-ROM, die Herr Goldberg meiner Mutter gegeben hat. Ich habe sie soeben in der Innentasche einer alten Kostümjacke gefunden.«
Lenz bemerkte, wie sein Pulsschlag sich beschleunigte.
»Und Sie sind sicher, dass es sich um die richtige CD handelt? Die, die Herr Goldberg Ihrer Mutter gegeben hat?«
»Nun ja, ich glaube nicht, dass meine Mutter noch andere Datenträger hier zu Hause versteckt hält, Herr Kommissar. Die CD ist zwar nicht beschriftet, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine andere als die besagte ist. Prüfen kann ich es leider nicht, weil meine Mutter keinen Computer besitzt«, erklärte sie dem Polizisten gereizt.
»Selbstverständlich, Frau Kolb«, versuchte Lenz zu beschwichtigen, als ihm klar wurde, dass er sie mit seiner Frage verärgert hatte. »Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, es tut mir leid. Mein Kollege und ich sind in einer Viertelstunde bei Ihnen, wenn das passt.«
»Sicher. Ich bin hier und werde mich auch nicht wegbewegen.«
Lenz informierte Brandt, wohin er und Hain fahren würden und warum, und verließ dann den Raum. Als die beiden im Erdgeschoss ankamen, begegnete Blochin ihnen in der großen Vorhalle. Er sah den Hauptkommissar grinsend an.
»Wollen Sie uns schon verlassen? Überlegen Sie nicht zu lange, Herr Lenz, sonst ist der schöne Job weg«, gab er dem Polizisten beiläufig mit.
Hain sah den Russen verdutzt an. Lenz griff seinen Kollegen am Arm und schob ihn aus dem Haus.
»Was wollte der denn von dir? Und von welchem Job hat er geredet?«
»Keine Ahnung, Thilo. Der Typ ist ein Dummschwätzer. Bestimmt will er sich nur wichtig machen.«
Hain sah sich noch einmal um, aber Blochin war schon aus seinem Blickwinkel verschwunden.
»Hast du mit ihm über einen Job gesprochen?«
Lenz ließ sich auf den Beifahrersitz des Dienstwagens fallen und zog die Tür des Opels mit einem lauten Krachen zu. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken.
»Nein, ich habe mit ihm nicht über einen Job gesprochen, warum auch. Aber der Kerl ist gerissen und weiß, dass jemand von uns Informationen an ihn weitergibt. Vielleicht versucht er seinen Informanten zu schützen und gleichzeitig bei uns Misstrauen zu verbreiten, was weiß ich?«
30
»Wenn ich denjenigen erwische, der die Aktion verpfiffen hat, haue ich ihm höchstpersönlich eins auf die Fresse«, polterte Hain, während sie am Bahnhof Wilhelmshöhe vorbeirollten. Noch hatte der morgendliche Berufsverkehr seinen Höhepunkt nicht erreicht, und sie kamen gut voran. Lenz musste daran denken, dass er früher in Situationen wie dieser gerne geraucht hatte. Nun machte es ihm nichts aus, es nicht zu tun. Trotzdem glitt seine Hand zur Sicherheit über das Nikotinpflaster auf seinem Oberarm.
»Wahrscheinlich steht einer unserer Kollegen auf Blochins Lohnliste. Oder bei der Staatsanwaltschaft verdient sich der eine oder andere etwas dazu. Mit so was müssen wir immer rechnen, und ganz ausschließen können wir es nicht, solange Menschen daran beteiligt sind.«
Ih m fiel Blochins ›Angebot‹ ein. Vielleicht hätte ein anderer weniger abweisend auf diesen Erpressungsversuch reagiert und bei ihm angeheuert. Trotzdem fragte der Kommissar sich nahezu minütlich, ob der Russe am Tag zuvor den OB über sein Verhältnis zu Maria informiert hatte.
Irene Kolb erwartete sie vor der Haustür. Sie trug eine dicke Daunenjacke und eine Pudelmütze.
»Entschuldigen Sie bitte mein Äußeres, aber der Arzt ist vor zwei Minuten gekommen und gerade mit meiner Mutter beschäftigt. Sie ist wach, deshalb habe ich es vorgezogen, Sie hier unten zu erwarten.«
Die Frau zog aus der linken Jackentasche eine Plastikverpackung. Darin schimmerte die CD.
»Bitte sehr. Ich hoffe, Sie können damit etwas anfangen.«
»Ja, das hoffen wir auch, Frau Kolb. Und ganz herzlichen Dank.«
»Wenn Sie Fragen haben, können Sie mich gerne hier erreichen. Solange meine Mutter lebt, bin ich noch in Kassel.«
Lenz stellte erfreut fest, dass ihr Ärger sich verzogen hatte.
»Und nochmals Entschuldigung für mein Verhalten vorhin am Telefon. Ich habe es wirklich nicht böse gemeint.«
»Schon vergessen, Herr Kommissar. Jetzt muss ich aber nach oben, sonst wird meine Mutter unruhig. Auf Wiedersehen.«
»Auf
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