Kammerflimmern
lassen.
Joe Jackson hatte ihm einen so umwerfenden Gewinn verheißen, dass er dem Angebot nicht hatte widerstehen können.
Otto Schultz hatte sich an den Teufel verkauft, und in dem verzweifelten Kampf um die verlorenen Summen hatte er es mit Abkürzungen versucht. Als der neue Präsident der USA in einem Land ins Amt eingeführt wurde, in dem die Finanzbranche mit entblößter Kehle am Boden lag, hatte Otto Schultz angefangen, Aktien zu kaufen. Das sei klug, wurde behauptet, die Talsohle sei bald durchschritten. Wer Geld hatte, sollte jetzt kaufen, ruhiges Blut bewahren und sich der Reise in bessere Zeiten anschließen.
Das Problem war, dass Otto kein Geld zum Aktienkauf hatte. Einige seiner Investitionen erwiesen sich als Schuss in den Ofen. Andere Aktien fingen im Sommer 2009 an zu steigen, es ging aber trotzdem zu langsam, kurzfristige Darlehen von der Sorte, zu der er jetzt greifen musste, hatten höhere Zinsen und mussten mithilfe neuer Darlehen zurückgezahlt werden, ehe er überhaupt einen Gewinn von Bedeutung einholen konnte.
Nur selten hatte Otto sich an seinem Sparschwein vergriffen: den Aktien von Mercury Medical für über vierzig Millionen Dollar. In den frühen Kinderjahren von Apollo hatten er und John Mundal jeder zwanzig Prozent der Firma besessen, aber durch immer neue und notwendige Emissionen, Käufe, Verkäufe und Fusionen war sein Aktienposten bei Mercury Medical inzwischen belanglos. Nicht als Eigner war er wichtig für Mercury Medical. Sondern als unbestrittener Chef und Anführer.
Vierzig Millionen Dollar waren dennoch eine nette Summe, und er hatte einige herauslösen müssen. Das hatte großes Aufsehen erregt, auch wenn er jeweils nur fünf Millionen flüssig gemacht hatte. Der Markt, der verdammte Markt, reagierte nervös darauf, dass der CEO eines Konzerns verkaufen musste. Er hatte öffentlich erklärt, das Geld für feste Investitionen für seine drei erwachsenen Kinder zu benötigen, und um Respekt für seine Privatsphäre gebeten.
Die Kinder hatten zum Glück bei dieser Nachricht nur mit den Schultern gezuckt. Sie hatten sich niemals für seine Unternehmungen interessiert.
Die Aktien, die er noch besaß, waren weit weniger wert als die Schuld, die auf ihm lastete. Alle Grundstücke waren bis über den Dachfirst beliehen.
Otto Schultz war pleite.
Genauer gesagt, er hatte einen dröhnenden Konkurs hingelegt, auch wenn das noch niemand wusste. Niemand wissen durfte.
Suzanne schon gar nicht.
Er könnte die Karten auf den Tisch werfen. Er könnte die Abmachung über die Auszahlung zerreißen, mit den Schultern zucken und erklären: Wo nichts ist, hat sogar der Kaiser sein Recht verloren.
Aber wenn er den Konkurs offenlegte, würde er Mercury Medical nicht länger leiten können.
Er würde alles verlieren.
Und das würde bedeuten, dass Suzannes langhaariger Farbkleckser sich besser um sie kümmern könnte als er. Es würde bedeuten, dass es richtig von Suzanne gewesen war, nach fast vierzig Jahre ihren Ehemann zu verlassen.
Ein Otto Schultz ohne Geld, Macht und Position war kein Otto Schultz. Nicht für die Familie und nicht für die Welt.
Und für sich selbst schon gar nicht.
Der Regen fiel immer dichter, und als Otto Schultz die digitalen Zahlen las, die im Glas über dem Boden leuchteten, sah er, dass die Temperatur stark gefallen war. In der Nacht würde es schneien.
Noch einen Bourbon, dachte er und ging zum Barschrank.
Nur noch einen.
Er kam sich überhaupt nicht betrunken vor. Nicht einmal angetrunken, dachte er, als er Eiswürfel aus dem Behälter nahm, den Ruth äußerst widerwillig hingestellt hatte, als er ihr das Kochen verboten hatte. Er ließ die Eiswürfel in sein Glas fallen und füllte es bis zum Rand mit Bourbon.
Eine Karte blieb ihm noch ...
Eine einzige Karte.
Joe Jackson hatte ihm vor langer Zeit von Verkaufsoptionen erzählt, Puts hatte er sie genannt, und er hatte bis ins Detail beschrieben, was da vor sich ging. Damals hatte Otto wütend reagiert, es ging ihm wider die Natur, bei einem Scheitern Geld zu verdienen.
Damals war er reich und auf dem Höhepunkt seiner Macht gewesen.
Das war er jetzt nicht mehr.
In der vergangenen Woche hatte er sich abermals darüber informiert, wie Verkaufsoptionen funktionierten.
Er griff nach dem Glas und ging aus einem plötzlichen Impuls heraus in das kleine Wohnzimmer, das Suzanne für sich eingerichtet hatte. Er war nicht mehr dort gewesen, seit Suzanne ihn verlassen hatte, aber er wusste, dass Ruth
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