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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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ob die Aktie steigt oder fällt. Wenn du einigermaßen sicher bist, dass sie steigen wird, dann gehst du vielleicht auf die Wette ein. Um ganz sicher zu sein, baust du die Möglichkeit eines gewissen Falls mit ein. Verstehst du?«
    Sara starrte das leere Blatt an.
    »Du sagst, dass sie jedenfalls nicht mehr als zehn Prozent fallen wird«, sagte Jerry und schrieb die Zahl 90 auf den Block. »Die 100 000 Dollar, die deine Aktien am 1. Januar wert sind, werden also auf nicht weniger als 90 000 Dollar schrumpfen. Das wettest du also.«
    Jetzt nickte sie kurz.
    »Ich dagegen wette auf weiteren Absturz. Wir einigen uns auf ein Schlussdatum für unsere Wette. Zum Beispiel den 1. Juli.«
    Er zeichnete eine Zeitlinie vom 1. Januar bis zum 1. Juli auf das Blatt. »Damit du auf die Wette eingehst, zahle ich dir eine gewisse Summe. Sagen wir der Einfachheit halber, ich zahle dir ein Prozent des Aktienwertes als Prämie, wie es heißt. Ich zahle also tausend Dollar nur dafür, dass du mitmachst.«
    »Na gut.«
    »Bei einer europäischen Option müssen sie dann bis zum abgemachten Schlussdatum warten, um zu sehen, wer gewonnen hat«, sagte Jerry. »Falls sie die Option nicht verkaufen und die Sache auf sich beruhen lassen. Aber amerikanische Optionen gibt es auch. Und die sind spannender. Schau her.«
    Er zeichnete einen Strich, der parallel zur Zeitlinie verlief, schrieb ans Ende die Zahl 1000 und neben die Zeitlinie eine 90.
    »Dann verläuft die Aktienentwicklung so«, sagte er und zog mit dem Kugelschreiber eine gezackte Kurve über die beiden Linien, ohne sie jemals unter die untere sinken zu lassen. »Vorläufig gewinnst du. Du behältst ja deine 1000 Dollar, egal, was passiert. Aber jetzt sieh her ...«
    Der Kugelschreiber näherte sich Mitte Mai.
    »Hier fällt die Aktie plötzlich. Und sogar sehr!«
    Die Kurve endete einen Zentimeter unter dem 90er Strich.
    »Dann habe ich zwei Möglichkeiten«, sagte er. »Ich kann die Nerven bewahren und darauf vertrauen, dass sie noch weiterfällt, oder ich kann verlangen, dass die Option eingelöst wird. Dann musst du von mir 1000 Aktien für 90 Dollar pro Stück kaufen. Da ich sie zuvor für 80 Dollar kaufen kann, beträgt mein Gewinn ...«
    Rasch kritzelte er eine Zahl auf das Blatt. »10 000 Dollar. Du hast verloren. Mein Nettogewinn beträgt 9000 Dollar, weil ich dir ja 1000 zahlen musste, damit du auf die Wette eingehst.«
    Jerry ließ den Kugelschreiber fallen und lehnte sich zurück. »So ein großer Ertrag kann verlockend auf Leute wirken, die ein Risiko nicht scheuen«, sagte er. »Und überleg doch nur, wie hoch die Summen werden, wenn du den Einsatz mit zehn malnimmst. Oder hundert! Wenn jemand unter solchen Bedingungen Verkaufsoptionen für 10 Millionen Dollar einkauft, kann er heute 100 Millionen einsacken.«
    »Was für ein Scheißspiel«, sagte Sara auf Norwegisch.
    »Die Börse ist ein Spiel«, sagte Jerry kurz.
    »Ist das ... Ist das wirklich erlaubt?«
    »Natürlich. Nur darfst du die betroffenen Werte nicht manipulieren. Wenn Otto Schultz das wirklich getan hat ...«
    Er zögerte.
    »Ich kann es fast nicht glauben«, flüsterte Sara. »Ein Mann, der ...«
    »Das wäre dann das eklatanteste Beispiel für Insiderhandel, das ich mir überhaupt vorstellen kann«, unterbrach Jerry. »Er geht nicht nur auf Grundlage eines Wissens vor, das nur er besitzt, er stößt die Entwicklung noch dazu selbst an. Wie er das macht, begreife ich nicht, rein praktisch, meine ich, aber ...«
    Es wurde an die Tür geklopft. Sara zuckte so heftig zusammen, dass sie das Kissen fallen ließ. Jerry sprang auf und lief zur Tür. Sara hörte, wie er leise und kurz mit einer Frau sprach.
    »Es war nur das Zimmermädchen«, sagte er und runzelte die Stirn. »Es sieht dir gar nicht ähnlich, so schreckhaft zu sein, Sara.«
    Er bückte sich und hob das Kissen auf.
    »Weißt du, warum man in der Regel einen Tunnel von beiden Seiten gräbt?«, fragte er schließlich.
    »Nein ...«
    »Weil es doppelt so schnell geht.«
    »Ach?«
    »Wie ich am Telefon gesagt habe, hat die SEC mit dem Bohren angefangen ...«
    »Die SEC?«
    »U. S. Securities and Exchange Commission«, sagte er. »Weißt du das nicht mehr?«
    »Doch, jetzt, wo du es sagst.«
    »Sie suchen also seit Längerem den Grund für riesige Puts bei Mercury Medical. Ich habe keine Ahnung, wie weit sie gekommen sind und ob sie überhaupt weiterkommen. Ich weiß allerdings, dass seit der Einrichtung der Financial Fraud Enforcement

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