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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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Einmal, als sie mitten in der Nacht erwacht war, hatte sie sein perfekt gebügeltes Hemd auf einem Kleiderbügel vor der Schranktür hängen sehen. Sie war leise aufgestanden und hatte es ins Badezimmer gebracht.
    Bodil bügelte seine Hemden, Bodil wusch und bügelte und kochte und hatte zwei Mädchen und einen Jungen aufgezogen, den Nachkömmling, auf dem Erik bestanden und der Bodil daran gehindert hatte, wieder zu arbeiten, als die Mädchen groß genug waren. Als der Junge älter wurde, war es dann zu spät, fanden Erik und Bodil. Sie bügelte dreimal in der Woche Hemden und hatte keine Ahnung davon, dass die so einfach an einem Kleiderbügel in Sara Zuckermans Schlafzimmer nächtigten.
    »Bist du noch da?«, fragte der Pathologe. »Hallo?«
    »Ja, sicher. Vielen Dank. Wenn der endgültige Bericht vom vorläufigen abweicht, kannst du mich dann bitte anrufen?«
    »Natürlich. Dir auch vielen Dank.«
    Als sie den Hörer weglegte, fiel ihr ein, dass der ICD eigentlich Kammerflimmern hätte zeigen müssen, wenn ein Infarkt vorgelegen hatte. Ein Herzstarter war der implantierte Fahrtenschreiber des Besitzers, ein Registrator der Sekunden vor der Katastrophe. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, den Pathologen noch einmal anzurufen.
    Dann piepsten beide Funkmelder gleichzeitig.
    Die eine Nummer war 4300, die Krankenhauszentrale. Jemand von außerhalb versuchte, sie zu erreichen. Die andere Nummer gehörte zu einem Mobiltelefon, das für internen Gebrauch vorgesehen war.
    Petter Bråten wollte mit ihr sprechen.
    Sie seufzte und stand auf. Das ungewöhnlich warme Wetter hatte sich gehalten, der Himmel war vor Hitze weiß. Zwischen den Krankenhausflügeln hatten die Rasenflächen eine patinagrüne Färbung angenommen. Eine Entenschar hatte sich in dem länglichen Becken niedergelassen. Sie wurde von einem kleinen Jungen in einer Kinderkarre gefüttert, während die Mutter am Beckenrand saß und Zeitung las.
    Sara sehnte sich plötzlich danach, Enten zu füttern, unter einem schattenspendenden Baum auf einer Bank ein Buch zu lesen.
    Erik Berntsen war tot, aber es war nicht ihre Schuld.
    Sie ertappte sich dabei, dass sie mit dem Davidstern spielte, den sie um den Hals trug. Rasch schob sie den Anhänger wieder unter ihr Hemd.
    Sie würde nun endlich einen Schlussstrich unter die leidenschaftliche, problematische und in den letzten Jahren, als er sie nicht mehr gewollt hatte, traumatische Beziehung zu Erik ziehen. Sie merkte, dass sie nicht einmal trauerte. Es tat ihr leid, wie sie sich immer vom Tod eines Patienten beeinflussen ließ. Die Erleichterung, die sie empfand, lag nicht nur daran, dass der Pathologe sie entlastet hatte, dachte sie. Wichtiger war, dass sie sich nicht mehr sehnen würde.
    Auf dem Weg aus dem Büro blieb sie vor dem Spiegel stehen. Sie sah müde aus, blass. Ihre Lider waren schwer und geschwollen. Eine schlaflose Nacht machte ihr sonst nicht so zu schaffen, durchwachte Nächte gehörten zur Routine im Leben einer Krankenausärztin. Sie kniff die Lider fest zusammen, immer wieder. Das half ein wenig.
    Sie würde bald etwas mit ihren Lidern machen müssen.
    Am Mittwoch, in nur fünf Tagen, würde sie nach Denver fahren, um an Heart Rhythm 2010 teilzunehmen. Dort würden sich zehntausend Herzspezialisten aus der ganzen Welt zum jährlichen Kongress einfinden, und sie würde überall Bekannte treffen. Es würde späte Abendessen und noch spätere Drinks im Hotel geben. Ihr Spiegelbild war da keine große Aufmunterung. Sie beschloss, am Montag eine Stunde Gesichtspflege einzuschieben.
    Mit beiden Händen fuhr sie sich durch die Locken, fischte einen Lippenstift aus der Kitteltasche, fuhr sich damit über die Lippen, straffte den Rücken und lächelte, ehe sie die Tür öffnete, um sich auf die Suche nach Petter Bråten zu machen.
    Wenn sie wirklich ihre Lider richten lassen wollte, würde sie das in den Sommerferien machen müssen. Oder im Herbst, dachte sie resigniert, denn sie würde wohl erst im kommenden Jahr zwei Wochen Urlaub nehmen können.
5.00 p.m.
Waldorf Astoria Hotel, Manhattan, NYC
     
    »Du kennst nicht zufällig einen Dr. Erik Berntsen?«, fragte Otto Schultz so überraschend, dass Agnes Klemetsen ihn entgeistert anstarrte.
    Sie saßen in der Bar des Waldorf Astoria. Er mit einem Glas Champagner, sie mit einer schwach zischenden Clubsoda mit herzförmigen Eisstücken. In einigen Minuten würde die Limousine sie zum Essen in den Four Seasons abholen. Otto Schultz hatte darauf

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