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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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GRUS hatte er kein einziges Mal ans Rauchen gedacht.
    Hier draußen war es anders. Es gehörte zur Einstimmung, wenn er den Ausblick auf Raasjøfløyta und die alte Brücke genoss, die die Landzunge von dem zwei Kilometer langen See trennte. Das Einzige, was ihn an den kürzlich eingesetzten Herzstarter erinnerte, waren ein schwacher Schmerz in der Operationswunde und die Empfindlichkeit des linken Arms.
    Er seufzte und fischte eine Pastillenschachtel aus seiner Tasche. Als er eine in den Mund stecken wollte, fiel ihm die Schachtel aus der Hand, weil er ein gewaltiges Motorendröhnen hörte. Ein weißer Kastenwagen fuhr zweihundert Meter weiter westlich über die Steinbrücke. Mit einem so hohen Tempo, dass Klaus Aamodt fürchtete, das Auto werde die Kurve auf dem anderen Ufer nicht schaffen und in den Wald hinaufjagen. Der Wagen bretterte durch das alte Holztor, das die Schafe daran hinderte, die Brücke zu überqueren, und Klaus Aamodt hätte schwören können, dass das Auto die Kurve auf zwei Rädern nahm.
    »Bjørg!«, rief er. »Tommy! Seht euch das mal an! Ein Verrückter!«
    Der Wagen hatte den Parkplatz an der kleinen Holzbrücke erreicht, die das alte Gutshaus von den kleineren Gebäuden auf dem anderen Flussufer trennte. Der Fahrer schien einen Moment lang zu zögern, dann wagte er die Überquerung.
    »Was will der hier?«, rief Klaus Aamodt. »Tommy, sind das Freunde von dir?«
    Der weiße Kastenwagen blieb hinter Klaus Aamondts Wagen auf dem Hang unterhalb des Hauses stehen. Ein Mann und eine Frau stiegen aus.
    »Ärzte?«, fragte Tommy, der aus der Tür trat, als die Weißkittel auf sie zukamen.
    »Sara Zuckerman«, sagte die Frau und streckte Klaus Aamodt die Hand entgegen. »Dr. Sara Zuckerman. Ich komme aus dem Universitätskrankenhaus Grini und muss Sie leider stören. Wir haben wenig Zeit.«
    Klaus Aamodt hatte die Frau noch nie gesehen. Der Mann hinter ihr sah nicht gerade aus wie ein Arzt, er war unrasiert, und unter dem weißen Kittel trug er verschlissene Jeans. Er schleppte einen Plastikkoffer und eine offenbar schwere Tasche.
    »Habe ich einen Grund zur Besorgnis?«, fragte Klaus Aamondt verwirrt.
    Die beiden antworteten nicht.
5.17 a.m.
East Hampton, Long Island, New York
     
    Die nächtliche Kälte hielt noch an.
    Otto Schultz blieb für einen Moment auf der Treppe stehen und musterte den Morgennebel, der grau und abweisend über den gepflegten Rasenflächen, Sträuchern und Blumenbeeten auf der anderen Seite des Hofplatzes lag. Er schüttelte sich und ging zum Auto. Der Kies knirschte unter seinen Schuhen, und er bereute, am Vortag nicht den Lexus aus der Garage geholt zu haben. Die ganze Welt kam ihm grau und nass vor, und er hatte überhaupt keine Lust, sich auf die schwarzen Ledersitze zu setzen.
    Zwei Minuten später war der Wagen warm, und Otto Schultz war endlich unterwegs.
    Ihn quälte eine Unruhe, die er nicht kannte. Am Vorabend hatte er zu viel getrunken, obwohl er nur selten Alkohol anrührte, wenn er allein war. Aus einem Impuls heraus hatte er das verabredete Essen mit Kindern und Schwiegersöhnen abgesagt. Statt wütend zu werden, waren sie erleichtert gewesen, und das hatte ihn fast traurig gemacht. Es war Viertel vor zehn, als er zu Bett ging. Aber erst gegen zwei war er in einen Dämmerschlaf gesunken, aus dem er sich nur mit Mühe hatte lösen können, als der Wecker klingelte.
    Es war beruhigend, jetzt unterwegs zu sein. Im Wagen war er immerhin in Bewegung.
    Ein Reh sprang über die Straße. Er sah es erst, als es drei oder vier Meter vor der Motorhaube war, konnte aber noch bremsen. Für einen Moment wurden die Scheinwerfer in den aufgerissenen Augen gespiegelt, dann jagte das Tier weiter und verschwand im Wald auf der anderen Straßenseite.
    Otto Schultz rang um Atem und umklammerte das Lenkrad.
    Musik, dachte er und schaltete das Radio ein. Das half. Sein Puls wurde langsamer, und er ließ den Fuß vom Bremspedal zum Gas wandern.
    Er hatte nichts aus Durban gehört. Und nichts aus Hongkong. Nichts aus Norwegen nach Morten Mundals Mitteilung über Erik Berntsens Tod.
    Aus Schweden jedoch, wohin Otto Schultz niemals eine E-Mail geschickt hatte, war eine absurde Nachricht aus einem Internetcafé über einen Todesfall eingetroffen, den es noch gar nicht gab.
    Nur wenig lief wie geplant.
    Es eilt jetzt, dachte Otto Schultz und trat aufs Gaspedal.
    Es eilte jetzt wirklich.
11.23 Uhr
Raasjø, Romeriksåsen, Akershus
     
    »Sie wollen also einfach nur den ICD

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