Kammerflimmern
mehr verwendet. Okay?«
»Wir haben Mai, Sara«, rief Lars Kvamme. »Diese Korrekturen nehmen wir doch sonst erst im Spätherbst vor! Willst du mir verbieten, den besten ICD zu verwenden? Hä?«
Er starrte Dr. Benjaminsen empört an, und der zuckte abermals gleichgültig mit den Schultern. »Wenn Sara sagt, dass wir das machen«, sagte er, »dann machen wir das so.«
»Verdammt«, rief Lars Kvamme, »soll ich also ein schlechtes Gerät einsetzen, nur weil Sara Zuckerman plötzlich einen bisher unbekannten Drang verspürt, die Regeln einzuhalten? Für manche Patienten ist der Deimos einwandfrei besser als alle Konkurrenzgeräte und ...«
Sein Gesicht verdunkelte sich vor Erregung.
Ola verstand seinen Zorn, auch wenn er Lars Kvamme nicht ausstehen konnte. Aber der Mann war ein tüchtiger Arzt.
»Jetzt wollen wir uns doch beruhigen«, sagte Dr. Benjaminsen gutmütig und legte Lars die Hand auf den Unterarm. »Kein Grund zur ...«
»Kein Grund?«, fauchte Lars Kvamme. »Kein Grund? Ich habe am Samstag einen Deimos eingesetzt. Einem Patienten mit sowohl ...«
»Samstag?«, fiel Sara ihm mit scharfer Stimme ins Wort. »Du hast am Samstag einen Deimos eingesetzt?«
Ola senkte den Kopf, damit niemand die Röte sah, die sich fleckig über seinen Hals hocharbeitete.
Jetzt, da Sara und er sicher gewesen waren, die Lage unter einer Art Kontrolle zu haben, zeigte es sich, dass ein weiterer Patient einen infizierten ICD in sich tragen könnte.
In seinen Ohren rauschte es.
Er hätte sich niemals auf Saras Versuch einlassen dürfen, die Sache auf eigene Faust zu klären. Genau davor hatte er sich gefürchtet. Da sie nicht wussten, womit sie es zu tun hatten, und schon gar nicht, mit wem, hatten sie auch keine Kontrolle. Über rein gar nichts.
»Warum habe ich nichts von dieser Implantation gehört?«, fragte Sara. Ola hoffte, dass nur er das angespannte Zittern in ihrer Stimme bemerkte.
»Soll ich dir jetzt auch noch jeden Furz melden? Ich hatte das mit Dr. Thomas Tebbe von der kardiologischen Abteilung des Deutschen Herzzentrums in München verabredet. Der Patient ist Norweger und wollte zu Hause operiert werden. Er hatte alle Papiere von Dr. Tebbe fix und fertig, als er am Freitagnachmittag kam, und ich ...«
»Wann am Samstag ist er operiert worden?«, fragte Sara leise.
»Wann? Jetzt weich hier nicht aus, Sara. Es geht um das idiotische Verbot gegen den Deimos, nicht um die Frage, zu welcher Tageszeit ich meine Operationen auszuführen beliebe. Ich hatte am Wochenende Bereitschaftsdienst, und ich habe eine Stunde im OP genutzt, um ...«
»Wann?«, fragte Sara noch einmal, jetzt viel lauter. »Wann hast du den Mann operiert?«
Lars sah zuerst Sara und dann Dr. Benjaminsen verärgert an. »Mitten am Tag«, sagte er endlich. »So gegen zwölf. Wenn die Frau Professor den genauen Zeitpunkt so dringend wissen möchte, kann sie im Operationsplan nachsehen.«
Er redete jetzt mit Dr. Benjaminsen, der sich zu amüsieren schien.
Ola wusste nie so recht, was er vom Klinikchef halten sollte.
Kaare Benjaminsen war einer der wenigen Norweger, die um 1970 in Ostberlin studiert hatten. Sein Vater war im Krieg im Widerstand gewesen und hatte sich der Roten Armee angeschlossen, als Finnmark 1944 von den Russen befreit worden war. Er war für den Rest seines Lebens ein treuer Moskaukommunist geblieben und hatte seinen Sohn zum Medizinstudium in die DDR geschickt. Kaare Benjaminsen hatte nie irgendeine politische Überzeugung vertreten, hatte sich aber seit seiner Studienzeit energisch für die palästinensische Sache engagiert. Mehrmals hatte er als Arzt in Flüchtlingslagern im Mittleren Osten gearbeitet. Ola hatte sich ab und zu gefragt, ob er wegen ihres jüdischen Hintergrundes etwas gegen Sara hatte: Der 65 Jahre alte Klinikchef, der sonst jeden Streit schlichtete, lehnte sich immer zurück, damit Sara und Lars Kvamme nach Herzenslust aufeinander losgehen konnten.
Kaare Benjaminsen war mit gutem Grund ein hoch angesehener Arzt. Er war ein tüchtiger Administrator, er verließ sich auf seine Ärzte und hielt ausnahmslos zu ihnen.
Ola verstand nicht, warum er jetzt nicht eingriff.
Lars stand wie ein Kampfhund an straffer Leine auf der einen Seite des Tisches, Sara weigerte sich auf der anderen, sich zu setzen.
»Ich lasse mir das nicht gefallen«, sagte Lars, noch immer an Benjaminsen gewandt.
»Das musst du aber«, sagte Sara. »Ola, komm bitte mit mir.«
»Die Besprechung ist noch nicht zu Ende«, sagte
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