Kammerflimmern
abschalten?
Tommy Aamodt ließ den Blick zweifelnd von Sara Zuckerman zu seinem Vater wandern, der auf einem riesigen Chesterfieldsofa lag. Der ältere Mann fing an, sein Hemd aufzuknöpfen, aber Sara unterbrach ihn dabei. Sie legte ihm vorsichtig den Programmierkopf auf die Brusttasche, wo nach der samstäglichen Operation die Bandage wie ein weiches Kissen befestigt war.
»Wie gesagt, es wurde ein kleiner Programmfehler entdeckt, der möglicherweise das Verhalten des ICD bei einem Kammerflimmern beeinflusst«, sagte Sara und lächelte. »Um ganz sicher zu sein, suchen wir jetzt die drei Patienten auf, die am Freitag und am Samstag operiert worden sind. Ola und ich haben das Siegerlos gezogen und durften diesen schönen Ort aufsuchen. Es dauert nur zwei Minuten.«
Klaus Aamodts Frau schien jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Sohn Tommy hatte die Arme über der Brust verschränkt und machte ein skeptisches Gesicht. »Warum um alles in der Welt sind Sie hergekommen?«, fragte er. »Hätten Sie nicht einfach anrufen und meinen Vater wieder ins Krankenhaus holen können?«
»Das haben wir versucht«, sagte Sara. »Aber hier draußen scheint es kein Netz zu geben.«
Klaus lächelte und schielte zu dem Programmierkopf auf seiner Brust hinunter. Ein dickes Kabel führte zu der Programmiermaschine auf dem Couchtisch. Vier Dioden leuchteten jetzt auf, die Maschine hatte Kontakt zu seinem Herzen aufgenommen.
»Wir müssen über die Brücke gehen, um telefonieren zu können«, sagte Klaus. »Da ist eine kleine Stelle, wo man für das Handy ein Netz findet.«
Ola hatte Sara ab und zu im Verdacht gehabt zu lügen. Aber zum ersten Mal wusste er mit Sicherheit, dass Sara eine glatte Lüge servierte. Widerwillig ließ er sich davon beeindrucken, wie leicht es ihr offenbar fiel und wie kühn sie war. Die meisten Hütten in Norwegen waren für Mobiltelefone erreichbar. Sie hatte unmöglich wissen können, dass dieser Teil von Romeriksåsen eine Ausnahme bildete.
»Bist du bereit, Ola?«
Sara hatte die Hand auf Klaus Aamodts Arm gelegt.
»Gleich, sofort«, sagte Ola.
Der Bildschirm der Programmiermaschine flimmerte einige Sekunden, ehe das Bild zur Ruhe kam und deutlich wurde. Dann hatte der Apparat den ICD als Mercury Deimos identifiziert. Oben in der rechten Ecke konnte Ola eine kleine Kurve sehen, die die Aktivität im Herzen des Patienten maß. Normaler Sinusrhythmus, aber schneller Puls. Klaus Aamodt hatte sichtlich Angst.
»Detektion oder Therapie«, fragte Ola.
»Therapie«, antworte Sara, ohne zu zögern.
»Worüber reden Sie da?«, fragte Tommy aggressiv.
»Ein ICD hat grundsätzlich zwei Funktionen«, erklärte Ola. »Er soll detektieren, also Fehler am Herzen entdecken. Danach soll er Therapie liefern, also behandeln. Zuerst Detektion, dann Therapie. Wenn wir einen ICD abschalten, schalten wir eine oder beide Funktionen ab. In diesem Fall ist es die eigentliche Behandlung, die wir ...«
»Wir sind uns nicht hundertprozentig sicher«, fiel Sara ihm ins Wort. »Also schalten wir ihn ganz einfach aus. Mach das jetzt, Ola.«
Ola drückte auf »Therapy off«.
Wieder flimmerte das Bild. Zu lange, dachte Ola. Plötzlich wurde der Bildschirm knallgelb. Ein schwarzer Text leuchtete ihnen entgegen. »Too late.«
»Wir haben ... wir haben hier ein kleines Problem«, sagte er leise.
»Too late.«
00.16.42
00.16.41
00.16.40
»Was denn für ein Problem?«
Gereizt wollte Sara den Bildschirm zu sich umdrehen. So würden Klaus und Tommy Aamodt das Bild ebenfalls sehen können. Auch wenn sie nicht sehr viel verstehen würden, lag es doch nahe, dass der knallgelbe Schirm mit dem bedrohlichen Text nicht gerade ermutigend wirken würde.
Blitzschnell legte Ola die Hand auf Saras und drückte so fest zu, dass sie die Stirn runzelte und die Hand zurückzog. »Die Maschine ist ein wenig empfindlich«, sagte Ola, »mag Bewegung nicht.« Er konnte es als Lügner nicht mit Sara aufnehmen, aber sie hatte verstanden und hockte sich neben Ola.
»Too late.«
00.16.31
»Aha«, sagte Sara. »Ein Problem. Da hast du recht.«
»Problem?«, fragte Bjørg Aamodt. »Was für ein Problem?«
Sara schalte die Maschine aus und klappte sie zusammen. Die Dioden auf dem Programmierkopf erloschen. Sie koppelte ihn vorsichtig ab und legte ihn wieder in die Tasche. »Wenn wir Zeit hätten«, sagte sie dann, »würden mein Kollege und ich einen Spaziergang machen und unser Vorgehen diskutieren. Aber leider haben wir es ziemlich
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