Kammerflimmern
entdeckt? Ohne Bescheid zu sagen oder Alarm zu schlagen?
Diese Vorstellung war beängstigend und erregend zugleich.
Er griff zum Telefon.
Wenn Sara Zuckerman Informationen oder Mängel oder Defekte an Geräten zurückhielt, war sie erledigt.
Als er Dr. Benjaminsens Telefonnummer zur Hälfte eingegeben hatte, brach er plötzlich ab. Nein. Er wollte nicht zu Benjaminsen gehen. Es gab etwas sehr viel Besseres.
10.55 Uhr
Romeriksåsen, Akershus
»Ich bin nicht einmal auf die Idee gekommen, dass man den Mann schon entlassen haben könnte«, sagte Sara und legte die Hände auf das Armaturenbrett. »Könntest du vielleicht etwas vorsichtiger fahren?«
»Wir haben noch eine Stunde und fünf Minuten«, sagte Ola verbissen, während er versuchte, einem Schlammsee auf der linken Seite des Waldwegs auszuweichen.
Als Ola durch das Krankenhaus gelaufen war, um den Patienten zu finden, dem Lars Kramme knapp zwei Tage zuvor einen ICD eingesetzt hatte, war er fast mit der Stationsschwester zusammengestoßen. Er erfuhr, dass der 53 Jahre alte Klaus Aamodt am Morgen entlassen worden war. Der Patient war in gutem Zustand gewesen. Alle Testergebnisse überzeugten, und sein Sohn hatte ihn gegen halb acht abgeholt. Sie wollten auf die Hütte, hatte er erzählt, und eine ruhige und friedliche Woche verleben.
»Gott sei Dank kennst du dich hier oben aus«, sagte Sara.
»In den Wäldern hier bei Oslo gilt nur eine Regel«, sagte Ola. »Nach rechts halten! Nach Osten, Sara. Hier ist es mindestens so schön wie in Bærumsmarka und Nordmarka, aber es sind viel weniger Leute unterwegs. Die Zwillinge sind sogar hier entstanden. An einem Waldsee. Im Freien.«
Er grinste.
»Thank you for sharing«, murmelte Sara und schaute aus dem Seitenfenster.
»Ich bin ja verdammt froh, dass die Schranke bei Gut Aas oben war«, sagte Ola. »Scheiße.«
Olas acht Jahre alter Toyota Avensis Verso schlug mit der Rückachse gegen einen Felsbrocken. Es gab einen solchen Knall, dass Sara aufschrie und die Fahrt für beendet hielt. Aber Ola bretterte schon den nächsten Hang hoch und ging so schnell in die Kurve, dass der Wagen schlingerte.
»Es war mein Ernst«, sagte sie mit blassem Gesicht. »Das hier geht zu schnell.«
»Wir sind bald in Hakkim«, antwortete er, ohne das Tempo zu drosseln. »Wenn der Sommerweg zum Raasjø offen ist, sparen wir mindestens fünf Kilometer.«
Der Weg öffnete sich zu einem großen Parkplatz, der auf beiden Seiten von Wald umgeben war.
»Verdammt«, sagte Ola und hielt. »Früher war hier keine Schranke.«
Der Weg gabelte sich. Oben am Hang auf der Ostseite des Wegweisers sah Sara eine große Holzhütte, auf der Westseite, unterhalb ihres Standplatzes, ahnte sie zwei flache rote Gebäude. An einem Baum zwischen den beiden Waldwegen teilten handbemalte Schilder mit, dass beide Wege zum Raasjø führten.
»Fahren wir nach links«, schlug Sara vor.
»Das ist der Winterweg«, sagte Ola. »Der ist länger. Außerdem ist da hinten auch eine Schranke. Die hier dagegen ist neu.«
»Wie weit ist es bis ...«
»Zum alten Haupthaus. Fünf, sechs Kilometer geradeaus. Auf dem ersten Kilometer geht es aufwärts, danach ist es ziemlich flach. Wir müssen zwei Gattertore öffnen und schließen, aber auf diesem Weg geht es schneller.«
»Was machen wir?«, fragte sie, und wieder hörte Ola den angespannten Beiklang von der Morgenbesprechung.
»Fernsehkrimi spielen«, sagte Ola und riss den Wagen in den Rückwärtsgang.
Sara wurde gegen den Sitz gepresst, als Ola ebenso plötzlich in den ersten Gang schaltete, Gas gab und in vollem Tempo auf die Schranke zuhielt. Das Fundament auf der einen Seite gab nach. Der Pfosten neigte sich zur Seite, und Sara schloss die Augen, als das Auto wieder Tempo aufnahm.
Der Seitenpfosten war gebrochen, und die Schranke wurde vom Auto langsam zurückgedrängt.
»Na also«, sagte Ola verbissen. »Wie spät ist es?«
»Fünf nach elf«, sagte Sara atemlos. »Noch fünfundfünfzig Minuten.«
11.13 Uhr
Raasjø, Romeriksåsen, Akershus
Klaus Aamodt fühlte sich gut in Form, als er aus alter Gewohnheit auf die Veranda vor dem Holzhaus trat, um sich eine Zigarette anzuzünden. Dann fiel ihm das absolute Verbot ein, das der deutsche Arzt ausgesprochen hatte. Die beiden Wochen der Beobachtung im Deutschen Herzzentrum waren so anstrengend gewesen, dass er nur schwach genickt hatte, als die Krankenschwester die Zigarettenpackung von seinem Nachttisch entfernte. Während der knapp drei Tage im
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