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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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für den Fall, dass Orty sich nicht früh genug meldete, um noch bei Samson’s zu bestellen. Wein brauchte sie, um Ortys Blumen zu feiern.
    Erst als sie den Schrank öffnete, fiel ihr ein, warum sie niemals allein Wein trank. Es war nicht nur der Preis, mit ihren zerstörten Händen konnte sie den Korken nicht mehr herausziehen.
    Gereizt knallte sie die Tür zu und goss sich aus einer Flasche auf dem Küchentisch ein Milchglas mehr als halb voll mit Gin. Sie hatte kein Tonic mehr und gab deshalb Limonade aus dem Kühlschrank dazu.
    Nach einem soliden Schluck öffnete sie den Briefumschlag.
    Ein Hauch von Enttäuschung streifte sie, als sie sah, dass die Karte nicht mit der Hand beschrieben war.
    Aber das war ja nur dumm von ihr, natürlich hatte er den Blumenladen angerufen und seine Mitteilung diktiert:
     
    Liebe Mama, mach den Fernseher an. Sieh es dir an, Mama, auf CNN oder einem anderen Nachrichtensender. Bald haben wir ihn. Sei umarmt von deinem Orty.
     
    Der Hauch von Freude, den der Blumenstrauß gebracht hatte, war verschwunden. Der Alkohol brannte in ihrer Speiseröhre, als sie zu schnell trank und sich verschluckte.
    Orty hatte nicht auf sie gehört.
    Das hier würde nie im Leben gut gehen.
    Sie hustete so heftig, dass sie sich erbrechen musste. Eine bittere, dickflüssige Masse zwang sich aus ihrem Magen nach oben, und sie schaffte es nicht mehr bis zum Spülbecken.
    An den Marmortisch gelehnt, rang sie nach Atem.
    Niemand würde Otto Schultz zu Fall bringen.
    Niemand und Orty schon gar nicht.
22.20 Uhr
GRUS, Bærum
     
    Es war nicht zu fassen.
    Ola Farmen hatte überall gesucht. Unter den Tischen, hinter der Tür und in den Schränken, deren Fächer so dicht gefüllt waren, dass wohl kaum Platz für eine Programmiermaschine gewesen wäre. Die beiden gesund gemeldeten Maschinen von Mercury Medical standen dort, wo er sie am Nachmittag verlassen hatte, auf dem hintersten Tisch, zusammen mit drei von St. Jude und einer von Boston Scientific. Er konnte auch keine Anzeichen dafür sehen, dass jemand im Raum gewesen war, seit er in sein Büro gegangen war, um den Bericht über ihre Entdeckungen zu schreiben.
    »Verdammt«, sagte er laut und versetzte einem Tischbein einen Tritt.
    Er hätte die Maschine natürlich mitnehmen müssen.
    Das fauchte er wütend, ehe er zum fünften Mal die Schranktüren öffnete und den Blick über alle Regale schweifen ließ, die mit versiegelten ICD-Packungen gefüllt waren. Der verdammte Koffer war auch jetzt nicht zu sehen.
    »Warum zum Teufel hab ich sie nicht mitgenommen?«
    Er schlug sich so wütend an die Stirn, dass ihm die Tränen kamen.
    Er hatte die Maschine unter den Tisch gestellt. Der Raum war abgeschlossen. Während des Nachmittags waren keine Operationen angesetzt gewesen, und niemand hatte hier etwas zu suchen. Normalerweise. Aber nichts war noch normal, und Ola durchsuchte den Raum ein weiteres Mal, ehe er endlich das einsehen musste, was er bereits beim Betreten des Raumes gefürchtet hatte.
    Irgendwer hatte die infizierte Programmiermaschine entfernt.
    Voller Wut schlug er mit der Faust an die Wand. Die Gipsplatte gab nach, neben dem ICD-Schrank zeichnete sich ein Loch ab, während Ola vor Schmerz aufschrie.
    »Scheiß Mercury-Arsch«, heulte er. »Verdammter Sivert Sand! Oder Sverre Bakken. Oder ...«
    Die Wut wollte sich nicht legen. Im Gegenteil. Ihm war abwechselnd heiß und kalt, und er machte sich bittere Vorwürfe. Er war auch wütend auf Sara, die ihn nicht daran erinnert hatte, die Programmiermaschine zu sichern.
    Vor allem aber war er stocksauer auf zwei Männer, von denen er keineswegs wusste, ob sie schuldig waren.
    »Jetzt seid ihr dran«, sagte Ola Farmen und stürzte aus dem Raum.
22.30 Uhr
Markveien, Grünerløkka, Oslo
     
    Das Beunruhigende war eigentlich nicht, dass Agnes Klemetsen angerufen hatte, dachte Morten Mundal, als er den Rechner ausschaltete und beschloss, vor dem Schlafengehen noch ein Glas zu trinken. Als Leiter von Mercury Medicals Nordeuropa-Abteilung war er ihr schon zweimal begegnet, und beide Male hatte er betont, sie könne ihn jederzeit anrufen. Sie war ihm sofort sympathisch gewesen, sie wirkte klug, war freundlich, witzig und sah außerdem ziemlich gut aus. Die Sympathie schien zudem auf Gegenseitigkeit zu beruhen. In ihrem Beruf hatte sie es vermutlich vor allem mit alten Säcken zu tun, dachte er. Jedenfalls hatte sie angenehm überrascht darüber gewirkt, wie jung er war, und als er ihr erzählt hatte, dass er

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