Kammerflimmern
verlassen hat, muss dieses Wesen doch ...«
Ola erhob sich und ging zur Tafel hinüber.
Sara sagte nichts, während er die Zeitungsausschnitte wegnahm und mit dem Lappen die gesamte Fläche säuberte.
Ganz oben zeichnete er ein rotes X.
»Er muss hier im Krankenhaus gewesen sein«, sagte er und kritzelte in Großbuchstaben unter das X IM KRANKENHAUS. »Wenn Berntsens Spaziergang für ihn ebenso überraschend kam wie für uns, muss er ihn doch gesehen haben und ihm gefolgt sein ...«
Er erstarrte für einen Moment, ehe er den Filzstift wieder bewegte.
KENNT PREIS F IMPL.
»Er muss wissen, wie ein ICD eingesetzt und herausgenommen wird«, sagte er rasch.
»Und er muss die Geräte dafür gehabt haben«, sagte Sara eifrig und griff zu einem grünen Filzstift.
HAT AUSRÜSTUNG
»Und er muss noch dazu ...«
»ZUGANG ZU ICD-DEMO«, schrieb Ola als nächsten Punkt auf die Liste.
»Verflixt«, sagte Sara leise, trat einen Schritt zurück und sah sich an, was sie geschrieben hatten. »Das hat immer mehr Ähnlichkeit mit einem Krankenhausangestellten.«
Auch Ola trat zurück. Jetzt standen sie Schulter an Schulter, und Ola verspürte das vertraute kleine Unbehagen, wie immer, wenn er ihr zu nahe kam. »Lars Kvamme«, sagte er und trat noch einen Schritt zurück.
Sara fing an zu lachen. Sie legte den Kopf in den Nacken und lachte schallend. Ola sah sie aus großen Augen an, nie hatte er sie so herzlich und lange lachen sehen.
»Du bist übermüdet«, sagte er beleidigt. »Hör auf.«
»Wenn es nur so einfach wäre«, sagte sie endlich und berührte ihren Augenwinkel mit einem blank lackierten Zeigefinger. »Lars Kvamme ist alles Mögliche, aber ein kaltblütiger Mörder wohl kaum. Außerdem saß er mit dir und mir bei der Morgenbesprechung, als Erik gestorben ist.«
Sie kicherte noch immer, als Ola wieder aufsprang und zur Tafel lief. Er blieb mehrere Sekunden lang mit erhobenem Filzstift stehen, dann schrieb er plötzlich:
ZUGANG ZU PROGR DEMO-ICD!!!
Danach unterstrich er das PROGR dick und deutlich.
»Wie meinst du das?«, fragte Sara.
»Mr. X wusste nicht nur, wie man einen ICD austauscht«, sagte Ola eifrig. »Er hat gewusst, woran Berntsen sterben würde, und dann hat er sich einen Demo-ICD ausgesucht, der bereits mit den richtigen Ereignissen und Diagrammen programmiert war! Es gibt so viele unterschiedliche Demos, Sara! Hast du dir je merken können, was von denen, die wir von Mercury Medical bekommen haben, was ist?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich auch nicht«, sagte er triumphierend. »Ich zeige damit einfach nur den Patienten, wie so ein ICD aussieht. Der Inhalt ist eigentlich das, was die verdammten Vertreter uns unbedingt vorführen wollen. Die müssen wissen, was ein ICD enthält, nicht wir!«
Sara ging langsam rückwärts. Sie legte die Hand vor den Mund und blieb in dieser Haltung stehen, während sie sich in die vier Punkte an der Tafel vertiefte. Ola starrte sie an, als rechne er damit, dass sie das sagen würde, was er selbst nicht über die Lippen brachte.
»Jemand von Mercury Medical«, sagte sie leise.
»Und davon gibt es streng genommen nur zwei.«
Endlich riss sie den Blick von der Tafel und sah Ola skeptisch an. »Das ist ein Riesenladen«, wandte sie ein. »Allein hier in Norwegen haben die doch mindestens vierzig, fünfzig Angestellte.«
»Aber nur zwei besuchen uns regelmäßig«, sagte Ola. »Sivert Sand und Sverre Bakken.«
»So einfach kann das nicht sein.«
»Wie meinst du das?«
»Es kann einfach nicht so einfach sein«, wiederholte Sara. »Kein vernünftiger Mensch hätte das gemacht, wo wir so kurze Zeit brauchen, um zwei Verdächtige zu finden. Kommt nicht infrage.«
»Aber ...«
Sie drehte sich zu ihm um und hob die rechte Handfläche wie zu einem Eid. Sie kam ihm kleiner vor, älter und ein wenig zusammengesunken. Die Lachfältchen um ihre Augen waren tiefer, und sogar ihre Haare wirkten resigniert. Meistens lockten sie sich üppig und wild und zogen viele Jahre von Saras Alter ab. Jetzt hingen sie trocken und schwer über ihren Schultern, und Ola sah zum ersten Mal grau melierte Stellen an den Schläfen, als sie die Haare langsam hinter die Ohren schob.
»Wir können nicht bis morgen früh warten«, sagte sie.
»Womit denn?«
Plötzlich richtete sie sich auf. »Wo ist die infizierte Programmiermaschine?«, fragte sie.
»Im Schrittmacherraum.«
»Hol sie her. Bring sie mit in mein Büro. Mein Bericht kann in einer Viertelstunde fertig sein.
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