Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
Nein, das geht jetzt
leider nicht. (…) Ausgeschlossen. (…) Morgen um 17:00 Uhr schlage ich vor, hier
in meinem Büro. (…) In Ordnung. Auf Wiederhören.
Klient: Ihr
Anwalt?
Detektiv: Nein,
nur ein Klient. Wollen wir uns nächste Woche wieder hier treffen? Gleicher Tag,
gleiche Uhrzeit?
4
Klient: Immer
noch keine Spur von ihm?
Detektiv: Leider
nicht. Ich habe vor zwei Stunden noch mal mit seiner Mutter telefoniert, sie hat
seit seiner letzten Mail nichts von ihm gehört. Sie hat versprochen, mir Bescheid
zu sagen, sobald er auftaucht.
Klient: Hm.
Warum sollte sie das tun? Haben Sie sie bestochen?
Detektiv: Nein,
ich habe ihr gesagt, ich würde für einen geheimen gemeinnützigen Verein arbeiten,
der Leuten beim Ausstieg aus der braunen Szene hilft. Sie war gleich kooperationsbereit.
Klient: Gute
Idee. Tja, dann hilft wohl einfach nur noch warten … Darf ich Ihnen derweil eine
persönliche Frage stellen, Herr Rünz?
Detektiv: Keine
Einladung zum Abendessen bitte. Ich genieße im Moment mein Single-Leben!
Klient: Es geht
um Ihren Büropartner, den Autor. Dieser Rockwell – ich glaube, er schämt sich, Bürger
dieser Stadt zu sein. Ist das möglich?
Detektiv: Wie
kommen Sie denn darauf?
Klient: Na ja,
irgendein innerer Zwang treibt ihn dazu, jeden Schauplatz in Darmstadt auszuschmücken,
als befände sich sein Protagonist Vince Stark gerade am Times Square, am Roten Platz,
vor dem Petersdom oder dem Weißen Haus. Er bringt es einfach nicht über sich, die
Stadt so zu schildern, wie sie ist.
Detektiv: Sie
meinen in ihrer ganzen schäbigen, südhessischen Mittelmäßigkeit? Als mediokres Provinznest,
dessen Verschwinden erst bemerkt würde, wenn in Frankfurt irgendein japanischer
Tourist vergeblich nach der Mathildenhöhe suchen würde.
Klient: Ja, genau! Mein
Gott, Herr Rünz, Sie reden, als hätten Sie dieses Buch geschrieben.
Detektiv: Hmm.
Klient: Mal angenommen
– also nur mal angenommen , dieser Autor und Sie wären eine Person, Raoul
Rockwell wäre also Ihr Pseudonym …
Detektiv: Hören
Sie auf, schon gut. Eins zu null für Sie. Seit wann wissen Sie es?
Klient: Ich
habe es nur vermutet, gleich zu Anfang, Sie schauten so komisch drein, als ich Ihnen
meinen Eindruck von Ihrem Debüt erzählt habe.
Detektiv: Ihr
Eindruck? Ein vernichtender Verriss war das.
Klient: Sorry,
aber ich habe da völlig überzogen mit meiner Kritik, richtig polemisiert. Ich war
schlecht drauf an diesem Tag. Gestern habe ich noch mal mit etwas zeitlichem Abstand
einen Blick reingeworfen, und ich muss sagen: Ich glaube, Sie haben wirklich Potenzial.
Detektiv: Geschenkt.
Ich brauche keine Wiedergutmachung …
Klient: Nein
wirklich! Beim ersten Lesen habe ich die Geschichte viel zu ernst genommen. Wenn
man Ihren Plot als Satire liest, eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Dieser Ideenreichtum,
diese Ironie und die Art, wie Sie das Genre persiflieren – Hochachtung! Hier und
da würden behutsame Eingriffe eines kompetenten Verlagslektorats die Qualität sicher
noch steigern …
Detektiv: Meinen
Sie wirklich?
Klient: Unbedingt!
Ich habe da einen Kontakt, eine ehemalige Analysandin, sie ist stellvertretende
Cheflektorin eines namhaften Belletristikverlages – was halten Sie davon, wenn ich
die Dame mal auf Sie aufmerksam mache?
Detektiv: Ja,
wenn Sie meinen …
Klient: Unbedingt!
Und vielleicht könnte ich der Dame schon etwas über einen neuen Vince-Stark-Fall
berichten, an dem Sie gerade schreiben?
Detektiv: Na
ja, ich habe da schon was in Arbeit. Ist mehr so eine Idee …
Klient: Um was
geht es? Ich weiß, Sie dürfen mir eigentlich nichts verraten. Aber vielleicht geben
Sie mir wenigstens einen kleinen Hinweis?
Detektiv: Sie
müssen mir versprechen …
Klient: Ärztliche
Schweigepflicht. Beim heiligen Hippokrates. Sie können sich auf mich verlassen!
Detektiv: Ich
dachte da an das Thema Umweltkriminalität. Im Zentrum des Plots steht dieser korrupte
Darmstädter Pharmakonzern, die HeinerChem Industries. Aus der Forschungsabteilung
dieses Konzerns fließen ungefiltert hochgefährliche Abwässer in den Großen Woog.
Klient: Wow
– ein Ökothriller! Großartig.
Detektiv: Es
handelt sich bei diesen Abwässern um eine völlig neue Generation von Wachstumshormonen
für die Zucht von Nutztieren. Aber das Zeug ist noch in der Entwicklungsphase, keiner
ahnt etwas von möglichen
Weitere Kostenlose Bücher