Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
Währungsfonds noch herumkommandieren. Als Folge hiervon sind dessen Einnahmen innerhalb von vier Jahren um achtzig Prozent zurückgegangen. Der Gipfel der Ironie ist, dass es zunehmend danach aussieht, als würde der IWF selbst bankrott gehen, falls niemand gefunden wird, der bereit wäre, dem Fonds aus der Klemme zu helfen. Nur möchte das überhaupt noch irgendwer? Jetzt, wo der Ruf des IWF als Schuldeneintreiber ruiniert ist, erfüllt er nicht einmal mehr in den Augen der Kapitalisten einen erkennbaren Zweck. Auf den letzten G8-Treffen gab es zahlreiche Vorschläge zur Schaffung einer neuen Aufgabe für die Organisation – vielleicht als eine Art internationales Konkursgericht –, doch sämtliche Pläne wurden schließlich aus dem einen oder anderen Grund torpediert. Selbst wenn der IWF überleben sollte, dann wohl nur als Pappkamerad seines früheren Selbst.
Die Weltbank, die schon früh die Rolle des guten Polizisten übernommen hatte, steht im Vergleich dazu geringfügig besser da. Die Betonung liegt allerdings auf dem Wort »geringfügig« – was heißen soll, dass ihre Einnahmen nicht um achtzig, sondern lediglich um sechzig Prozent eingebrochen sind und dass es nur wenige tatsächliche Boykotte gibt. Andererseits wird die Bank aktuell vor allem dadurch am Leben gehalten, dass Indien und China noch immer bereitwillig Geschäfte mit ihr tätigen. Dies ist jedoch beiden Seiten bewusst, weshalb die Weltbank kaum noch in der Lage ist, die Bedingungen zu diktieren.
Natürlich bedeutet all dies nicht, dass nun sämtliche Monster getötet wurden. Zwar ist der Neoliberalismus in Lateinamerika auf dem Rückzug, doch in China und Indien werden derzeit verheerende »Reformen« durchgeführt, die europäischen Sozialstandards werden immer weiter ausgehöhlt,
und der Großteil der afrikanischen Länder ist trotz des scheinheiligen Getues der Bonos und der reichen Länder dieser Erde noch immer hochverschuldet, auch wenn dem Kontinent gerade eine neue Kolonialisierung durch China bevorsteht. Die USA, deren wirtschaftliche Vormachtstellung in weiten Teilen der Welt bröckelt, versuchen derzeit panisch, ihre Kontrolle über Mexiko und Mittelamerika auszubauen. Wir leben nicht in Utopia. Aber das wussten wir ja bereits. Die Frage ist, warum uns nie aufgefallen ist, wenn wir einmal einen Sieg davongetragen haben.
Olivier de Marcellus, ein Schweizer Aktivist des globalisierungskritischen Netzwerks Peoples Global Action (PGA), nennt folgenden Grund: Wann immer irgendein Element des kapitalistischen Systems einen Schlag abbekommt, sei es die Atomindustrie oder der IWF, kommt mit Sicherheit eine linksgerichtete Zeitschrift daher und erklärt uns, dass das ja alles Teil ihres Plans sei oder eventuell auch eine Folge der unvermeidlichen Entfaltung der inneren Widersprüche des Kapitals, aber sicherlich nichts, wofür wir in irgendeiner Weise verantwortlich seien. Vielleicht noch wichtiger ist in diesem Zusammenhang unsere Weigerung, das Wort »wir« überhaupt in den Mund zu nehmen. War es nicht Nestor Kirchner, der auf raffinierte Weise die argentinische Staatspleite herbeigeführt hatte? Er war Politiker! Was hatte er mit Anarchisten oder der Globalisierungsbewegung am Hut? Es war ja nicht so, als hätten ihn Tausende von Bürgern dazu gezwungen, indem sie den Aufstand probten, Banken verwüsteten und die Regierung durch Volksversammlungen ersetzten, die vom Independent Media Center (IMC) koordiniert wurden! Oder vielleicht doch? Aber gut, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätte es sich bei diesen Bürgern immer noch um so genannte »People of Color« aus dem Globalen Süden gehandelt.
Wir können uns wohl kaum anmaßen, die Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen. Was kümmert es da, dass sie sich mehrheitlich sehr wohl als Teil derselben globalen Gerechtigkeitsbewegung ansahen wie wir auch, dass sie für ähnliche Ideen eintraten, ähnliche Kleidung trugen, auf ähnliche Taktiken setzten und in vielen Fällen sogar denselben Bündnissen oder Organisationen angehörten? In diesem Zusammenhang das Wort »wir« in den Mund zu nehmen, käme ja der Ursünde gleich, für andere zu sprechen.
Doch warum sollte eine weltweite Bewegung ihre Errungenschaften nicht auch im weltweiten Maßstab betrachten? Meiner Meinung nach wäre dies durchaus angemessen. Und diese sind nicht unerheblich. Jedoch waren sie, wie auch bei der Anti-Atomkraft-Bewegung, nahezu alle mittelfristig angelegt. Im Folgenden will ich
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