Kampf für Freiheit
Sie war mit dem Fuß an einen Felsbrocken gestoßen, der von den weichen Kiefernnadeln bedeckt gewesen war. Sie krachte hart auf den Boden und rutschte weiter den Abhang hinunter. Marcus fiel neben ihr auf die Knie.
»Mein Knöchel!«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Oh, mein Knöchel!«
Marcus schaute zu Boden und sah, dass an der Seite ihres Fußes eine große Fleischwunde klaffte, aus der Blut strömte. Livia packte Marcus fest bei der Hand, während sie versuchte aufzustehen. Dabei stieß sie einen lauten Schrei aus und fiel erneut zu Boden. Sie versuchte, ihre Schmerzen zu unterdrücken, und starrte ihren Sohn durchdringend an. »Lauf, Marcus, lauf!«
Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Ich kann dich nicht hier liegen lassen!«
Sie gab seine Hand frei und schob ihn von sich: »Lauf!«
Nun war der Kutscher nur noch ein kleines Stück entfernt. Sie konnten schon den triumphierenden Blick in seinen Augen wahrnehmen.
Marcus blickte seine Mutter an. »Ich kann dich nicht alleinlassen. Ich kann es nicht.«
»Lauf!«, schrie sie. »Rette dich. Finde Pompeius. Los!«
Sie stieß ihn wieder weg, kämpfte sich auf die Knie und wandte sich dann zu dem Kutscher um. Marcus trat einige Schritte zurück, machte dann auf dem Absatz kehrt und rannte los. Sein Herz war von Furcht um seine Mutter erfüllt, doch gleichzeitig wusste er, dass sie recht hatte. Wenn er blieb, wären sie beide verloren. Wenn er aber fliehen konnte, würde er vielleicht eine Möglichkeit finden, sie zu retten. Er schaute noch ein letztes Mal zurück und sah, wie seine Mutter sich dem Kutscher vor die Füße warf. Sie umfing die Knie des Mannes und rief: »Lauf, Marcus!«
Dann wurde ihr Schrei erstickt, als der Kutscher sie wütend zur Seite zu stoßen versuchte. Marcus rannte weiter, den Hang hinunter auf eine Stelle zu, wo die Kiefern dichter wuchsen und der Kutscher ihm nicht mehr so leicht würde folgen können. Seine Mutter schrie noch einmal auf, und ihre Stimme klang schon weit entfernt und vom Wald gedämpft: »Lauf!«
»Bleib stehen, du kleiner Schweinehund!«, brüllte der Kutscher.
Marcus erreichte das Dickicht und rannte weiter, schob die dünnen Äste zur Seite und achtete nicht darauf, dass sie seine Hände und Arme zerkratzten. Allmählich wurden die Schreie hinter ihm leiser, und dann hörte er nur noch das Geräusch seiner eigenen Füße, die durch die Kiefernnadeln raschelten, das Knacken der Zweige und seine tiefen, verzweifelten Schluchzer, während er floh und sich immer weiter und weiter von seiner Mutter entfernte.
Marcus rannte eine Meile oder mehr. Tränen standen ihm in den Augen. Sein Herz schlug wild, und selbst unter den Kiefern trieb ihm die Hitze der Morgensonne den Schweiß auf die Stirn. Nach dem Lauf durch den Wald waren sein Gesicht und seine Hände von Kratzern übersät und bluteten und seine Muskeln schmerzten vor Anstrengung. Und doch war der Schmerz auf seiner Haut und in seinen Gliedern nichts im Vergleich zu der Qual in seinem Herzen. Er blieb stehen und stützte die Hände auf die Knie, während er nach Luft japste. Der Puls hämmerte ihm im Kopf, und er strengte seine Ohren an, um auf Verfolger zu lauschen. Aber da war nichts, nur das leise Krächzen der Krähen, die über den Wipfeln wirbelten.
Als er wieder zu Atem gekommen war, versuchte Marcus sich über seine Situation klar zu werden. Doch es war ihm unmöglich, sich darauf zu konzentrieren, während ihm noch Bilder seiner Mutter durch den Kopf schwirrten, wie sie da verletzt gelegen hatte, dem Kutscher auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Immer noch hallten ihm ihre Rufe in den Ohren. Marcus richtete sich wieder auf und wandte sich um, damit er bergauf zur Straße schauen konnte. Er kam sich wie ein Feigling vor. Außerdem hatte er viel mehr Angst vor dem Alleinsein als vor dem Kutscher und vor der Strafe, die er ihm angedroht hatte.
Marcus holte tief Luft und überlegte, was nun zu tun wäre. Er blickte sich suchend um, bis er in einiger Entfernung einen gefallenen Baum entdeckte. Marcus rannte hin und brach den größten Ast ab, den er tragen konnte. Rasch streifte er einige kleinere Zweige ab, packte das Ende des Astes und schwang ihn um sich, hin und her. Dann ließ er ihn auf den Baumstamm niedersausen. Seine Arme erzitterten unter der Wucht des Schlags, aber der Ast brach nicht.
»Der reicht«, murmelte er vor sich hin und machte sich dann auf den Weg, wieder den Hang hinauf. Er kletterte zurück, genau in
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