Kampf für Freiheit
Steuereintreiber zu erwürgen. Mit einem schrillen, beinahe tierischen Schrei stürzte er sich auf das Gitter und packte den Mann an der Tunika.
»Marcus!«, rief seine Mutter. »Das wird uns gar nichts nützen!«
Sie zog ihn zurück und hielt seine Arme fest umschlungen. Decimus lachte leise. »Ein ziemlich temperamentvolles Bürschchen! Aber Mut hat er. Der Sohn eines Soldaten, da gibt es keinen Zweifel!«
Livias Augen sprühten Funken. »Er ist … mein Sohn!«
Diese Antwort schien Decimus zu verwirren, doch ehe er etwas sagen konnte, sah ihn Livia flehentlich an. »Was immer zwischen Euch und Titus vorgefallen ist, es ist vor vielen Jahren geschehen. Jetzt ist Titus tot. Ihr hattet Eure Rache. Es ist doch nicht nötig, auch mich und den Jungen leiden zu lassen.«
»Ah, wenn das nur möglich wäre. Du musst es aus meinem Blickwinkel sehen, meine Liebe. Wenn ich euch beide jetzt ziehen lasse, da Titus tot ist, dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis der Junge seinen Vater zu rächen versucht. Das stimmt doch?« Er lächelte Marcus an.
Marcus starrte zurück und nickte langsam. »Eines Tages finde ich Euch und dann töte ich Euch.«
Verzweifelt ließ seine Mutter die Schultern sinken. »Decimus, er ist erst zehn Jahre alt. Er weiß nicht, was er sagt. Erweist ihm Gnade, und dann erinnert er sich an Eure Gnade.«
»Wenn ich gnädig bin, unterschreibe ich nur mein eigenes Todesurteil. Er muss verschwinden, genau wie sein Vater, genau wie du.«
Livia überlegte schnell. »Lasst ihn gehen. Schickt mich auf Euer Landgut. Solange Ihr mich als Geisel habt, wird er Euch keinen Schaden zufügen. Das stimmt doch, nicht wahr, Marcus?«
Marcus schaute ihr in die Augen und verstand, dass sie ihn stumm anflehte, ihm zuzustimmen. Aber er zögerte keinen Augenblick. Er war fest entschlossen, seine Pflicht zu tun und dafür zu sorgen, dass der Erinnerung an seinen Vater Gerechtigkeit getan wurde.
Natürlich hatte er Angst und war voller Furcht und Schrecken über das grauenhafte Schicksal, das Decimus ihm ausgemalt hatte. Aber er verspürte auch eine kalte, harte Wut – und die war stärker als die Furcht, stärker noch als seine Trauer oder die Sorge um seine Mutter. Er schüttelte den Kopf.
»Es tut mir leid, Mutter, aber der Mann hat recht. Solange ich lebe, werde ich nur an eines denken: ihm das zurückzuzahlen, was er uns angetan hat.«
»Siehst du?« Decimus hob die Hände in einer hilflosen Geste. »Was soll man da machen? Es tut mir leid, aber so ist es eben einmal. Ihr geht beide auf das Landgut und werdet dort schuften bis zu eurem Ende.« Er nickte feierlich, und dann, ehe er sich zum Gehen wandte, starrte er einen Augenblick in Marcus’ hasserfüllte Augen. »Aus dir wäre ein prächtiger Mann geworden, Marcus. Schade, dass es nun so enden muss. Ich respektiere dich, und ich wäre stolz gewesen, einen Jungen wie dich zum Sohn zu haben. Was für eine Schande …«
Dann ging er fort, langsam und mit leicht schaukelnden Schritten. Livia schaute ihm hinterher, wie er den Hof durch das Eingangstor verließ.
Dann fuhr sie zu ihrem Sohn herum.
»Du kleiner Narr!« Sie packte Marcus beim Arm und hielt ihn so fest, dass er vor Schmerzen aufschrie. »Willst du unbedingt umgebracht werden? Du bist genauso wie dein Vater, nur hohe Prinzipien und kein bisschen gesunder Menschenverstand. Ich habe ihm gesagt, dass er diesen Kampf niemals gewinnen kann. Ich habe es ihm gesagt …« Sie unterbrach sich plötzlich und biss die Zähne zusammen.
»Mutter, du tust mir weh«, jammerte Marcus und schaute auf seinen Arm. Ihr Blick folgte dem seinen und sie ließ ihn los und schlug die Hände vors Gesicht.
»Es tut mir leid, mein Junge. Es tut mir so leid. Verzeih mir.« Sie begann zu weinen.
»Mutter, nicht weinen«, flehte Marcus. Er fühlte sich, als würde ihm das Herz zerreißen. Sanft berührte er ihre Wange. »Ich hab dich lieb. Es tut mir leid.«
Sie ließ die Hände sinken und küsste ihn auf die Stirn. »Oh Marcus, mein kleiner Junge, was soll bloß aus uns werden?«
Beim ersten Morgenlicht kam der Kutscher, um sie abzuholen. Er hielt einen Knüppel in der Hand und beobachtete sie ängstlich, während er ihnen den Befehl gab, wieder in den Käfig auf dem Karren zu klettern. Sobald die Tür geschlossen und verriegelt war, schwang sich der Mann auf seinen Kutschbock, nahm die Peitsche und ließ sie über den Köpfen seiner Maultiere krachen.
Der Karren machten einen Ruck und rumpelte dann aus dem Hof des
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