Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
zehn Jahren einen möglichst großen Park aus alten und neuen Kohlekraftwerken zu schaffen.
Vom Stillstand auf Deutschlands maroden Stromautobahnen oder einfach ihrem Fehlen sind inzwischen jedoch auch die großen Energieversorger selbst betroffen. – Was natürlich kein Problem ist, wenn man in der Politik die richtigen Freunde hat. Nachdem die Konzerne inzwischen selbst große Offshore-Windanlagen gebaut haben, sehen auch sie sich mit der Tatsache konfrontiert, dass sie den Strom nicht liefern können, weil die Leitungen dazu noch fehlen.
Hier stellt sich die Frage der Haftung: Wer ist dafür verantwortlich? Wer trägt die entstandenen finanziellen Verluste? Die Antwort liegt auf der Hand, und inzwischen haben auch Sie als Leser das Spiel verstanden. Wirtschaftsminister Philipp Rösler schlägt vor, die Kosten auf den Strompreis umzulegen und damit dem Verbraucher aufzubürden. Diesem wird mit der bitteren Pille zugleich das Märchen aufgetischt, es seien die erneuerbaren Energien, die den Strom so teuer machten. – Man muss sich das einmal vor Augen halten: Über Jahre hinweg haben die Konzerne, die im Besitz der Netze waren, nur notdürftig in deren Erhalt investiert und stattdessen höhere Gewinne eingefahren. Und nun schieben sie die finanzielle Last der Sanierung der Politik und damit den Verbrauchern zu. Da möchte man fast sagen: Was für ein Glück für die Monopolisten, dass die EU noch rechtzeitig für die eigentumsrechtliche Trennung gesorgt hat. Und noch besser trifft es sich, dass man für die Kosten den Ökostrom anschwärzen kann.
Doch, auch ohne den Bau von Offshore-Windparks würde Deutschland riesige Stromtrassen benötigen, um die im Norden erzeugte Windenergie nach Süden zu transportieren. Denn nicht die Art und Weise der Energieerzeugung, sondern der Ort, an dem sie produziert wird, entscheidet, welche Transportwege gebraucht werden. Durch die Abschaltung der Atomkraftwerke im Süden Deutschlands entstehen dort Versorgungslücken, die durch Strom aus dem Norden ausgeglichen werden müssen. Einige Kohlekraftwerke, die geplant waren, ehe die Konzerne auf große Offshore-Windparks umrüsteten, sind in Norddeutschland, meist in Küstennähe, entstanden, denn hier können die Kosten für den Transport der importierten Kohle niedrig gehalten werden. Auch für den aus Kohle gewonnenen Strom hätte man also neue Nord-Süd-Verbindungen bauen müssen.
Auf der politischen Ebene stellt sich die Frage, ob es gelingen wird, das bestehende Kompetenzgewirr endlich aufzulösen. Vieles spricht für die Einrichtung eines Energieministeriums bzw. dafür, die Steuerung der hochkomplexen Aufgaben in eine Hand zu legen, darunter auch den Ausbau der Netzinfrastruktur. Ein neues Ministerium allein kann jedoch noch keine Gewähr dafür bieten, dass das Kartell der »großen Vier« damit endlich in die Schranken gewiesen würde.
Die Netzinfrastruktur der Zukunft müsste so beschaffen sein, dass sie drei Funktionen erfüllt: Erstens muss es eine engere Verknüpfung mit anderen europäischen Netzen geben, um den Handel zwischen den EU -Staaten zu verbessern und Engpässe ausgleichen zu können. Zweitens werden neue Stromleitungen benötigt, um die erneuerbaren Energien zu integrieren und den Wettbewerb auf dem Strommarkt zu verbessern. Und drittens sollten nicht nur große Konzerne, sondern möglichst viele Anbieter Strom in die Netze einspeisen können.
Für diese Aufgaben bedarf es neben den großen Stromtrassen, die vor allem für den Transport über lange Strecken hinweg notwendig sind, vieler kleiner, dezentraler Verteilnetze mit Niedrigspannung für den Transport von vor Ort produziertem Strom, wie beispielsweise Solarenergie oder Biomasse. Insgesamt werden wir in Zukunft sogenannte Smart Grids, intelligente Stromnetze, benötigen, die das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Energieformen bei der Erzeugung, der Speicherung, der Verteilung und dem Verbrauch optimal regeln.
Zwischen den Befürwortern von nachhaltigen Energiequellen ist über die Gestaltung des Stromnetzausbaus inzwischen selbst eine Auseinandersetzung entbrannt. Und wieder stehen sich die großen Energieversorger auf der einen Seite und eine wachsende Zahl mittelständischer und kleiner Unternehmen auf der anderen Seite gegenüber. Die einen haben die Mittel für riesige, kostenintensive Offshore-Windanlagen und können damit große Strommengen produzieren, die anderen erzeugen mit Photovoltaik- und Biogas- oder kleineren Windanlagen
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