Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
sondern wegen der hohen Arbeitskosten ihre Produktionsstätten ins Ausland verlagern.
Die Argumentation jener, die eine Abwanderung der Industrie befürchten, richtet den Blick vor allem auf die derzeit extrem niedrigen Gaspreise in den USA . Dort ist es gelungen, durch die Technologie des Fracking große Mengen Schiefergas zu erschließen. Der daraus resultierende Verfall der Gaspreise verschafft der energieintensiven Industrie in den USA nun einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber der internationalen Konkurrenz. Für die Großindustrie in Deutschland ist dies in der Tat eine neue Herausforderung. Die Ursache hierfür liegt jedoch in den ungleich höheren, von Russland abhängigen Gaspreisen in Deutschland. Andere Preissteigerungen, die etwa durch die Energiewende verursacht werden, würden dieses Problem allenfalls verschärfen, wäre die energieintensive Industrie nicht ohnehin von den Kosten der Energiewende ausgenommen. Unternehmen wie der Chemiegigant BASF reagieren auf den erhöhten Konkurrenzdruck jedoch nicht mit der Abwanderung in die USA , sondern mit einer Verbesserung der eigenen Produkte.
Die Entscheidung, ob Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, hängt von vielen Faktoren ab. Die Energiekosten spielen dabei meist eine untergeordnete Rolle, da sie bei der Mehrheit der Betriebe nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten ausmachen – der Durchschnitt liegt bei 3 Prozent. Natürlich gibt es Ausnahmen: So belaufen sich bei der Herstellung von Stahl, Aluminium und Metall, von Zement und Papier die Energiekosten auf 10 bis 20 Prozent. In diesen Fällen ist die Befreiung von Steuern und anderen Abgaben wie der EEG -Umlage tatsächlich notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen zu erhalten. Doch sogar hier trägt die Energiewende inzwischen zu industriellem Wachstum bei. Ein Beispiel dafür liefert der Aluminiumhersteller Norsk Hydro, der die zuvor eingestellte Produktion am Standort Neuss wieder hochgefahren hat. Grund dafür ist nicht nur die Befreiung von zusätzlichen Abgaben, sondern vor allem der durch die großen Mengen Ökostrom gesunkene Börsenpreis, der sich bei Großabnehmern direkt auf die Stromrechnung auswirkt.
Wachstumsmotor grüne Energien
Die Frage nach den Energiekosten und ihren Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie ist im Grunde genommen nur ein Nebenschauplatz. Viel stärker fällt ins Gewicht, dass der Umbau der Energieversorgung mit einem enormen wirtschaftlichen Wachstum einhergeht. Das Großprojekt Energiewende ist ein Konjunkturmotor, der in Deutschland gerade deshalb so rund läuft, weil unsere Industrie hervorragend aufgestellt ist: Wir können unsere Anlagen selbst bauen, deshalb fördern wir mit nahezu jeder Investition in neue Technologien die eigene Wirtschaft. Die Liste der Industriezweige und Firmen, die von der Energiewende profitieren, ist lang. Allein Siemens erwirtschaftet inzwischen 40 Prozent seines gesamten Umsatzes durch Klimaschutztechnologien. Konzernchef Peter Löscher machte das Thema Nachhaltigkeit zur Leitkultur. Seitdem baut Siemens keine Kernkraftwerke mehr, hat sich weitgehend aus Atomenergiegeschäften in Russland zurückgezogen und in der Folgezeit bewiesen, dass ein Unternehmen auch dann profitabel sein kann, wenn es auf Klima- und Umweltschutz setzt. Der Preis dafür? Der amerikanische Börsenverlag Dow Jones verlieh Siemens im Jahr 2012 den Sustainability Award für Industriegüter. (Zuvor hatte das Unternehmen diesen Preis schon fünfmal in einer anderen Sparte erhalten.) Diese Auszeichnung wäre dem Konzern ohne die konsequente Fokussierung auf das Thema Nachhaltigkeit vermutlich kaum zuteilgeworden. Die im Vorstand dafür zuständige Leiterin Barbara Kux (übrigens eine der ganz wenigen Frauen in einem führenden DAX -Unternehmen) hat sich erfreulicherweise für die konsequente Ausrichtung des Unternehmens auf Nachhaltigkeit eingesetzt.
Im Nachhaltigkeitsindex von Dow Jones ist ein weiteres deutsches Unternehmen gelistet: Seit 2005 gilt BMW als »the world’s most sustainable premium automobile manufacturer« (der nachhaltigste Autobauer der Welt). Wie Siemens hat BMW seine Firmenstrategie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, unter anderem durch die Umstellung auf Fahrzeugleichtbau, und gehört nun in allen Rankings zu den ersten zehn Profiteuren der Energiewende. Man könnte annehmen, dass die Impulse für mehr Nachhaltigkeit auch in diesem Fall von einer Frau kommen: Quandt-Erbin Susanne Klatten, die
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