Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
einzelnen US -Staaten, halten könnte. Nur, so heißt es in dem Artikel weiter, sei das Straßennetz Ergebnis einer umsichtigen Planung, während das Stromnetz, um das es sich bei der Abbildung tatsächlich handelt, aus dem unkontrollierten und unkoordinierten Wildwuchs einer meist lokalen Energieversorgung hervorgegangen ist. Das Ergebnis gleicht einem Gestrüpp, mit anderen Worten: Es herrscht ein gewisses Chaos.
Das Bild eines Organismus aus wild gewachsenen Verästelungen lässt sich auch auf das Gesetz über die erneuerbaren Energien übertragen: Seit dem Stromeinspeisegesetz von 1991 und seiner Erneuerung als EEG im Jahr 2000 ist es in über 20 Jahren zu einem Regelwerk mit 66 Paragrafen und 133 Artikeln angewachsen, einem Regelwerk, das im Laufe der Zeit durch unzählige Vorschriften und Ausnahmen ständig verändert und dabei zunehmend ausdifferenziert wurde. Der ersten Fassung eines Gesetzentwurfs folgen häufig zahlreiche Novellen, da der Politik am Anfang Erfahrungswerte fehlen, insbesondere dort, wo sie sich auf Neuland begibt. So werden ständig Schwächen ausgebessert und ungewollte Nebeneffekte korrigiert. Dabei sind viele Regelungen und Korrekturen zugleich ein Ergebnis von Kompromissen, die zuvor zwischen zahlreichen Interessengruppen ausgehandelt wurden. Am Ende steht ein hochkomplexes Gesetzeskonstrukt, das im Falle des EEG nicht weniger als den Umbau unserer gesamten Energieversorgung neu gestalten soll. Mängel und Schwierigkeiten im Einzelnen bleiben da nicht aus. Eine der größten besteht in der bisher fehlenden Koordination zwischen Bund und Ländern, was aber wahrlich kein spezifisch energiepolitisches Problem ist. Leider hat sich die – manchmal berechtigte – Kritik am EEG zu einer Salve verdichtet, die drauf und dran ist, das Gesetz selbst sturmreif zu schießen. Der Energiewende würde dies zum Vorteil gereichen, sagen die Kritiker. Das Gegenteil ist der Fall, sage ich.
Die Grabenkämpfe, die wir derzeit um die Energiewende und das EEG erleben, polarisieren. Dadurch verhindern sie eine konstruktive Auseinandersetzung und notwendige Korrekturen des Gesetzes. Der ständige Ruf »Schafft das EEG ab!« blockiert seine sinnvolle Neugestaltung. Stattdessen lösen diese Attacken auf Seiten der Befürworter Abwehrreflexe aus und zwingen sie, das EEG pauschal zu verteidigen, nur um es zu erhalten, anstatt es im Einzelnen zu diskutieren und zu verbessern. Legt man es auf eine Blockade der Politik an, sind natürlich die Mittel der Polarisierung und Emotionalisierung gute Ratgeber. Mit der Behauptung, eine nachhaltige, technisch moderne Energieversorgung sei mit den Schlagworten »Öko-Diktatur« und »Planwirtschaft« treffend umschrieben, lassen sich immer noch gut Wählerstimmen fangen.
Der Vorwurf der Planwirtschaft soll als Schreckensszenario an das erwiesenermaßen gescheiterte Wirtschaftsmodell der DDR erinnern und bezieht sich auf die Vergütungssätze, die das EEG für grüne Energien vorsieht. Diese sind das Mittel, mit dem die Politik das »Plansoll« für den Ökostromausbau von 35 Prozent bis zum Jahr 2020 und 80 Prozent bis 2050 zu erreichen gedenkt. Der Vorwurf der Planwirtschaft ist politische Rhetorik, die leider Wirkung zeigt. Wie anders erklärt es sich, dass selbst Bundespräsident Gauck, der noch Erinnerungen an die realsozialistische Planwirtschaft haben sollte, sich diese Kritik zu eigen macht? Als er am 5. Juni 2012 die Umweltwoche eröffnete, titelte Spiegel Online anschließend: »Gauck warnt vor Planwirtschaft bei Energiewende«. »Da wird sich die FDP freuen«, hieß es im Untertitel. Denn die FDP und ihr nahestehende Interessenverbände wie etwa die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft propagieren unter dem Motto »Rettet die Energiewende!« eine Politik, die angeblich dazu dienen soll, den Prozess des Energieumbaus marktwirtschaftlicher zu gestalten. Nur wenn mehr Wettbewerb erreicht würde, verkünden sie, und die Gesetze des freien Marktes das Geschehen auf natürliche Weise regeln, könne das Projekt auf Dauer Erfolg haben. Doch geht es bei den Vorschlägen, die von ihrer Seite kommen, wirklich um mehr Marktwirtschaft? Und wem würde das nutzen?
Die Auseinandersetzung zwischen marktwirtschaftlichen und marktregulierenden Ansätzen gehört zu den Grundpfeilern der Wirtschaftslehre. Erstere dienen vornehmlich der Wirtschaft. Sie vertrauen darauf, dass sich der Markt durch die Gesetze des Wettbewerbs dann am besten organisiert, wenn möglichst wenig
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