Kampf um Strom: Mythen, Macht und Monopole (German Edition)
eingegriffen wird. Eine florierende Wirtschaft ist die Grundlage gesellschaftlichen Wohlstands. Doch soziale Bewegungen im 19. Jahrhundert machten deutlich, dass die Selbstorganisation des Marktes keineswegs dem Wohl aller Menschen dient. Seither dienen marktregulierende Ansätze dazu, den Menschen vor Ausbeutung und Unterdrückung zu schützen und, wo der Markt an die Grenzen seiner Fähigkeit zur Selbstregulation stößt, auch wettbewerbsregulierend und konjunkturfördernd einzugreifen. Die Kompromisslösung zwischen Markt und Staat nennt sich soziale Marktwirtschaft. Sie soll den Wohlstand, den eine möglichst freie Wirtschaft verspricht, mit bestimmten sozialen Standards verbinden, wobei die Rahmenbedingungen von der Politik ständig neu verhandelt werden. Im 20. Jahrhundert sind weitere Gründe für marktregulierende Maßnahmen hinzugekommen – insbesondere der Klima- und Umweltschutz. Daraus entstanden neue Ansätze einer ökosozialen Marktwirtschaft, also die Verbindung von Marktwirtschaft mit sozialen Standards und Umweltschutz. Den wirtschaftlichen Zielen rein marktwirtschaftlicher Ansätze stehen die ideellen Ziele marktregulierender Ansätze gegenüber, und ein gesundes, für beide Seiten vorteilhaftes Maß ist der Gegenstand täglicher politischer Auseinandersetzungen.
Der freie, sich gänzlich selbst überlassene Markt hat ideellen Werten noch nie zur Geltung verholfen. Es ist der Staat, der Katastrophen wie das Reaktorunglück in Fukushima oder die Ölhavarie im Golf von Mexiko zulässt – oder verhindert. Ohne staatliche Anreize gäbe es den Katalysator nicht, der umwelt- und gesundheitsschädliche Autoabgase erheblich reduziert, und ohne den Staat wäre nicht ein einziges Elektro- oder Gasfahrzeug in unseren Städten zu sehen. Der angeblich freie und erst durch das EEG bedrohte Energiemarkt hat in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass die Stromnetze erneuert wurden. Der freie Energiemarkt hat die Entsorgung des Atommülls weitgehend dem Staat überlassen, und er hat nicht im Geringsten zur Reduktion des CO 2 -Austoßes geführt.
Wenn die Politik sich neue Ziele setzt und dabei in das Marktgeschehen eingreift, dann erleben wir stets dasselbe Spiel zwischen Wirtschaft und Politik. Klaus Töpfer erzählte mir, dass1983 , kurz bevor er zum Umweltminister ernannt wurde, Vorgaben zur Rauchgasentschwefelung für Kohlekraftwerke eingeführt wurden, die eine deutliche Reduzierung der Luftverschmutzung bewirken sollten. Als das Vorhaben angekündigt wurde, hagelte es zunächst unzählige Studien, die alle vorrechneten: Wenn die Politik sie zu den mit der Rauchgasentschwefelung verbundenen Mehrausgaben zwingt, wird die Kohlekraftindustrie geschlossen aus Deutschland abwandern. Es werden Arbeitsplätze verloren gehen, und Deutschland wird Strom aus dem Ausland importieren müssen. Kurz: Der wirtschaftliche Schaden wird beträchtlich ausfallen. Die Politik ließ sich von der Flut an Drohungen nicht beirren, und was passierte? Die Vorgaben wurden eingeführt, entgegen allen Warnungen jedoch kein einziges Kraftwerk geschlossen. Dafür ist unsere Luft heute deutlich sauberer.
Das EEG im Vergleich zu anderen Marktinstrumenten
Was bedeutet es angesichts dieser Erfahrungen, wenn die FDP mehr Marktwirtschaft für die Energiewende fordert? Konkret lauten die Vorschläge, es gebe Marktinstrumente, die, wenn schon keinen gänzlich freien Wettbewerb, zumindest ein höheres Maß an Marktwirtschaftlichkeit brächten als das EEG . Die beiden alternativen Instrumente, die zur Diskussion stehen und zum Teil in anderen EU -Ländern angewendet werden, sind der Handel mit Emissionsrechten und die sogenannte Quotenregelung. Vergleichen wir also alle drei Marktinstrumente.
Der gescheiterte Emissionsrechtehandel
Wie weit Theorie und Praxis auseinanderliegen, zeigt sich am Emissionsrechtehandel. Theoretisch wäre er möglicherweise tatsächlich das marktwirtschaftlichste aller Modelle, zumindest wenn es darum geht, eine Reduzierung von Schadstoffen zu erreichen. Die Theorie sieht vor, dass für den Ausstoß von CO 2 Rechte gekauft werden müssen, die sogenannten Emissionsrechte. Wer viele solcher Rechte in Form von Zertifikaten besitzt, seinen Schadstoffausstoß jedoch reduziert, kann überschüssige Zertifikate verkaufen und so nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch noch Gewinn machen. Dies, so hofften die Erfinder dieses politischen Instruments, sollte für Industriebetriebe Anreiz genug sein, in umweltfreundliche
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