Kampf um Thardos (German Edition)
spektakulären Regeneration des Körperteils. Das Wunder des Reamadins. Im Moment sah das Glied noch ziemlich verkrüppelt aus, doch Shaw vermochte schon, die Ansätze einer Hand und von Fingern zu erkennen. Noch ein paar Stunden, und es würde keinem mehr auffallen, dass die Gliedmaße je vom Arm abgetrennt war. Jerie war im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich. Die Frau lebte tatsächlich schon seit über fünfhundert Jahren und konnte weder eines natürlichen noch eines gewaltsamen Todes sterben, da sich kranke Zellen sofort wieder erneuerten und zerstörte ersetzten.
* * *
Lance Calhern war bei Bewusstsein. Die Schmerzen, die die Einschüsse ihm verursacht hatten, spürte er dank der Medikamente kaum noch. Er warf einen finsteren Blick in Jeries Richtung. Die Tatsache, dass sie ihn mit einer Projektilwaffe hatte verletzen können, stimmte ihn nachdenklich. Soweit er aus den geschichtlichen Aufzeichnungen der Archalaya wusste, standen die Thardier vor fünfhundert Jahren kurz vor dem Beginn des Raumfahrtzeitalters. Bei der Invasion hatten sie dem Eindringling kaum etwas entgegenzusetzen. Vielleicht hatte es hier und da mächtige Waffen gegeben, die auch Archalaya getötet hatten, doch nie hatten die Thardier Handfeuerwaffen besessen, die einen Materieabwehrschirm durchdringen konnten. Offenbar hatte Jerie die Wirkungsweise der Waffen in den letzten fünfhundert Jahren verstärkt. Lance war plötzlich froh, dass sie die einzige noch lebende Thardierin war. Unwillkürlich stellte er sich eine Armee aus tausend unsterblichen Jeries vor, die mit ihren Waffen wie die Morener mit ihren Schallpistolen die Schutzschirme knacken konnten. Nicht auszudenken, was solch eine Armee alles anrichten konnte. Im Nu hätten sie den Planeten von allen Invasoren gereinigt …
Lance unterbrach seinen Gedankengang, als ein Schatten in sein Blickfeld geriet. Müde sah er auf und gewahrte vor sich Sheree, die ihn mit halb vorwurfsvollem, halb traurigem Blick anstarrte. Lance fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Obwohl er seine Erinnerungen an seine archalayische Lancara-Identität nun vollständig zurückerhalten hatte, quälten ihn jene der ehemaligen Calhern-Persönlichkeit. Die Verhaltensmuster und Gedankengänge, selbst die Moralvorstellungen des menschlichen Charakters, den er zwanzig Jahre lang dargestellt hatte, waren immer noch in ihm aktiv. Das war eine Auswirkung, die die archalayischen Wissenschaftler seinerzeit nicht bedacht hatten, als man ihn zum Spion machte. Sein bewusstes Selbst war gefangen zwischen zwei Welten. Er war Archalaya und Mensch zugleich. Zwanzig Jahre in der terranischen Gesellschaft hatten ihn geformt. Er hatte ihre Werte und Gebräuche angenommen. Es war ihm nicht anders möglich, als diesen Zustand so zu beschreiben, als dass er tatsächlich ein Mensch war. Vielleicht war er durch den Zugriff auf seine archalayischen Erinnerungen nun wirklich ein Fall von multipler Persönlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes geworden. Er fühlte sich innerlich zerrissen, verfolgte stets zwei Gedankenstränge, sowohl archalayische als auch menschliche. Das Problem war, dass er sich weder für die eine noch für die andere Seite entscheiden konnte. Es war nicht leicht, mit diesem Zustand fertigzuwerden, vielmehr quälte ihn das ewige Hin und Her seiner Gedanken und Gefühle und riss ihn innerlich auseinander.
Lance litt, mehr, als er den PRIME -Agenten zeigte oder sie vermuten konnten. Er fragte sich, ob letztendlich eine der beiden Seiten gewinnen würde, wenn ja, welche? Oder standen beide Welten in seinem Hirn für den Rest seines Lebens in ewigem Zwiespalt? Er würde dem Wahnsinn anheimfallen und eingehen, wenn dem so war.
Als er Sheree immer noch unverwandt anstarrte, ohne die geringste Regung zu zeigen und ohne ein einziges Wort zu sagen, hockte sie sich vor ihm hin.
»Ich weiß, dass jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt für dieses Thema ist«, sagte sie so leise, dass die anderen es nicht hören konnten, »aber ich möchte wissen, ob die Gefühle, die du mir entgegengebracht hast, echt waren.«
Was ist schon großartig passiert? , dachte er. Ein Kuss hier, ein Kuss dort. Möglicherweise konnte er seine kurze Beziehung zu Lynn O’Hare sogar als intensiver bezeichnen. Er seufzte.
»Hör zu, Sheree, ich kann das alles nicht einordnen …«, erwiderte er und wurde sich im selben Moment bewusst, dass es Lance Calhern war, der da sprach, nicht Lancara. »Liebe. Gefühle. Ich glaube nicht,
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