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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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ihm quer durchs Unkraut, wir überquerten die löchrige Straße zum Trailer und der Nissenhütte hin, wo der Mann im blauen Hemd sich durch das Fenster eines schimmernden braunen Dreitürer-Buick, den ich bisher nicht bemerkt hatte, mit jemandem unterhielt.
    Ich nutzte die Gelegenheit, mich umzuschauen. Es war eine kleine Stadt, aber so eine hatte ich noch nie gesehen – auch nicht, als unser Vater mit Berner und mir zu dem Indianerreservat in Box Elder gefahren war. Ein paar graue Holzhäuser standen vereinzelt an den Überresten mehrerer Straßen. Es fanden sich auch Spuren von früheren Häusern – leere Grundmauerrechtecke aus Backstein, eingestürzte Nebengebäude aus Holz, ein allein stehender Schornstein und Brachland, wo früher einmal etwas gewesen war. Die fünf, sechs Häuser, die noch standen, sahen unbewohnt aus – die Haustüren hingen offen in den Angeln, die Gärten waren überwuchert. Einige hatten kein Dach mehr, bei anderen war das Dach mit Brettern vernagelt und geflickt, die Schornsteine bröckelten, die Veranden waren abgesackt. Nirgendwo waren Stromleitungen zu sehen, außer zu dem weißen Trailer, der Nissenhütte und dem Gebäude, in dem ich geschlafen hatte, sowie zu einem anderen Haus mit einem Loch im Dach, in das es reinregnen konnte. Eine dicke Frau in einem weiten grauen Kleid stand dort auf der Hintertreppe und beobachtete uns aus der Entfernung. Hinter dem Haus war im Zickzack eine Wäscheleine gespannt, daran weiße Laken und Frauenunterwäsche in der trockenen Brise.
    Weiter weg, unterwegs zu einem asphaltierten Highway, soweit ich sehen konnte, rumpelten zwei große Getreidelaster mit klatschenden Planen an einer heruntergekommenen Reihe Flachdachbauten vorbei, leerstehende Geschäfte gegenüber dem Silo. Auch diese Gebäude sahen verlassen aus, die Fenster waren eingeschlagen, die Türen fehlten. Kein Mensch war zu sehen. Am Rand des Städtchens, das in Sicht kam, als ich zu der Nissenhütte ging, stand eine Reihe Eschenahorne und Pyramidenpappeln (die kannte ich aus Montana), als Windschutz gepflanzt, aber sie waren eingegangen. Angrenzend lagen abgemähte Getreidefelder, gepunktet von Strohballen, nicht weit entfernt standen eine Windmühle ohne Flügel und eine geduldig kurbelnde schwarze Ölpumpe. Dahinter verlor sich das Land in der Ferne, nicht flach, sondern gewellt, ohne Berge oder Hügel und, soweit ich sehen konnte, auch ohne weitere Bäume. Erst der Horizont durchschnitt die Sichtlinie, ganz weit weg.
    »Okay, hier ist er.« Charley sprach immer noch sehr laut. Ich folgte ihm zu dem neu aussehenden Buick. In der Nissenhütte war, wie ich sehen konnte, ein alter Jeep mit Stoffdach untergebracht, außerdem ein flacher Anhänger mit nur einer Achse, auf dem lauter Gänse zu sitzen schienen, es waren aber nur hölzerne Attrappen für die Jagd, dazu ein Berg Schaufeln. »Ich hab das kleine Baby geweckt«, tönte Charley weiter. »In den Staaten haben sie ihn verweichlicht. Der wird hier oben nicht durchhalten.« Er drehte sich nach mir um. Bei Tageslicht war er noch merkwürdiger – sein knolliger Kopf wirkte größer, die Schultern unnatürlich schmal, seine Beine ragten krumm aus den kniehohen Stiefeln, und das schwarze Haar war immer noch von der Strassspange gerafft. Ein verstörender Anblick, so auf der Straße.
    Ich steckte die Hände in die Taschen, um nicht ständig die Augen vor dem Licht zu schützen, die mir schon wehtaten. Grashüpfer knallten aus dem wuchernden Unkraut hervor und krabbelten zu meinen Füßen am Boden herum, wie Klapperschlangen hörten sie sich an, was mich nervös machte. Kleine braune Vögel flitzten zwischen den blitzenden Kreiseln und Windrädern und Metallskulpturen herum. Die Sonne brannte mir auf Kopf und Schultern, auch meine Augen brannten, meine Arme waren allerdings kalt, und die Härchen kribbelten. Ich schwitzte auf dem Kopf, am Haaransatz.
    Der Mann mit der Jacke und dem Strohhut, der zum Fenster des Buick hineingesprochen hatte – auf der Beifahrerseite sah ich eine Frau, die über etwas lachte, was sie gerade gehört hatte –, richtete sich auf und kam auf mich zu.
    »Ich musste ihn aus dem Bett zerren«, dröhnte Charley – um den Mann zu beeindrucken. »Das ist Mr Remlinger. Du kannst Sir zu ihm sagen.«
    Ich beschattete meine Augen wieder. Hinter dem Kopf des Mannes stand die Sonne. Ich war nervös. Dieser Mann trug nun die Verantwortung für mich. Arthur Remlinger.
    »Wir haben dich erwartet«, sagte der Mann. Ich

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