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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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servierten und mit den Sportsfreunden (und manchmal miteinander) tanzten, und manch eine davon verschwand mit einem der Männer und wurde für den Rest der Nacht nicht mehr gesehen. Ich brauchte keine Zimmer mehr zu wischen, deshalb sah ich sie nur noch selten in ihr wartendes Taxi nach Swift Current einsteigen.
    Die Amerikaner in der Bar waren meist dicke, laute Männer in derber Jagdkleidung. Sie lachten und rauchten und tranken Rye und Bier und amüsierten sich. Viele von ihnen fanden es unglaublich lustig, in Kanada zu sein, sie rissen Witze darüber, dass die Kanadier Thanksgiving im Oktober feierten und so merkwürdig redeten (was mir gar nicht besonders aufgefallen war, sosehr ich auch darauf achtete) und dass die Kanadier die Amerikaner zwar hassten, aber alle am liebsten dort in Reichtum leben würden. Sie redeten über den Wahlkampf »da unten«, dass sie einen überwältigenden Sieg Nixons über Kennedy erwarteten und dass man die Kommunisten unbedingt bekämpfen müsse. Sie redeten über die Footballmannschaften der Städte, wo sie herkamen (aus Missouri, Nevada oder Chicago). Sie witzelten über ihre Frauen und prahlten mit den Großtaten ihrer Kinder und ihren eigenen Berufserfolgen zu Hause und erzählten von anderen Jagdausflügen, wie viele Enten und Gänse und andere Tiere sie erlegt hatten. Manchmal sprachen sie auch mit mir – falls sie mich bemerkten oder mich bereits früher am Tag mit irgendeinem Auftrag in den Drugstore oder den Eisenwarenladen geschickt hatten, weil ihnen etwas an der Ausrüstung fehlte. Sie wollten wissen, ob ich Kanadier sei, ob ich »Mr Remlingers Sohn« sei oder eines der anwesenden Jäger. Ich erzählte ihnen, ich sei auf Besuch aus Montana, meine Eltern seien krank geworden, aber ich würde bald wieder heimfahren und zurück in die Schule gehen – was sie oft dazu brachte, zu lachen und mir unter lautem Rufen auf den Rücken zu klopfen, ich sei doch ein »Glückspilz«, dass ich die Schule schwänzen dürfe, und wenn man einmal ein »Jagdführer« gewesen sei und Abenteuer erlebt habe, von denen die meisten Jungen nur träumen konnten, wolle man doch nicht mehr zurück. Sie fanden Kanada anscheinend nicht nur komisch, sondern auch geheimnisvoll und romantisch, während die Orte, wo sie lebten, langweilig und spießig waren, obwohl sie unbedingt weiter dort wohnen wollten.
    Zum Ende dieser Abende – wenn Charley, der die Gänsegruben überprüft hatte, die Runde machte und die Sportsfreunde ins Bett schickte, weil wir um vier aufstehen mussten, war es meist noch nicht zwanzig Uhr – stieg ich die Treppe zu meinem Zimmer hoch und lag auf dem Bett, las in meiner Schachmeister -Zeitschrift und lauschte dann den Jägern, die in ihre Zimmer hochpolterten, lachten und husteten und rotzten, mit Gläsern und Flaschen anstießen, aufs Bad gingen und indiskrete Geräusche machten, gähnten und mit den Stiefeln über die Dielen trampelten, bis ihre Türen ins Schloss fielen und sie losschnarchten. Erst dann vernahm ich die Stimmen einzelner Männer auf der kalten Main Street von Fort Royal, zufallende Autotüren, bellende Hunde und die Weichensteller, die hinter dem Hotel bei den Getreidewaggons arbeiteten, die Druckluftbremsen der Trucks, die an der Ampel halten mussten, dann das knirschende Greifen der Motoren, wenn sie Richtung Alberta oder Regina anfuhren – zwei Orte, von denen ich nichts wusste. Mein Fenster lag unter dem Dachvorsprung, und der rote Leonard-Neonschriftzug färbte die schwarze Luft in meinem Zimmer ein, wo es in meinem Schuppen nur Mondlicht und meine Kerze und den Himmel voller Sterne und das Schimmern aus Charleys Trailer gegeben hatte. Jetzt fehlte mir das Radio. Um langsam in den Schlaf zu finden, listete ich im Geiste meine Erfahrungen des Tages auf, inklusive der Gedanken, die ich mir dazu gemacht hatte. Wie immer dachte ich über meine Eltern nach und ob es ihnen wohl schwerfiel, sich im Gefängnis gut zu benehmen, und was sie jetzt über mich dachten und wie ich mich bei ihrem Prozess verhalten hätte und was wir gesagt hätten und ob ich ihnen von Berner erzählt hätte und ob ich ihnen gesagt hätte, dass ich sie liebhatte, auch wenn andere dabei waren (das hätte ich!). Außerdem beschäftigten mich die barschen amerikanischen Stimmen der Jäger und die Leistungen ihrer Kinder und ihre Frauen, die an der Küchentür warteten, und all ihre Abenteuer, auf die ich weder mit Neid noch mit Groll reagierte. Bislang hatte ich noch keine Leistungen zu

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