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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Dritter verbergen, dachte ich, wusste aber nicht, wer). Der einzige Unterschied zu der Zeit, als ich da gewohnt hatte, bestand in den Koffern der Amerikaner. Ich stand hinter Remlinger und fragte mich, was die beiden nun vorhatten, wie sie das Thema ansprechen wollten, um dessentwillen sie so weit gefahren waren. Sie glaubten den Richtigen vor sich zu haben. Wo hatten sie ihre Waffen?
    »Ich dachte, ich nehme meinen Sohn mal mit«, sagte Remlinger laut. Seine Stimme und sein Tonfall hatten sich verändert – er klang entspannt. Er hatte den Kopf senken müssen, um durch die niedrige Tür zu kommen. Er legte eine Hand auf den Hut, damit er nicht verrutschte. Im Nu war der kleine Raum überfüllt, und ich bekam kaum noch Luft.
    Jepps warf Crosley, der mit zusammengepressten Knien auf der Pritsche saß, einen Blick zu. Der schüttelte den Kopf. »Wir wussten nicht, dass Sie einen Sohn haben.«
    Remlinger griff hinter sich und legte einen Arm um meine Schulter. »Es sieht vielleicht nicht sofort danach aus, aber hier bei uns kann ein Junge gut aufwachsen«, sagte er. »Sicher und sauber.«
    »Verstehe«, sagte Jepps. Beim Sprechen sah sein Kiefer irgendwie lose aus, deshalb meinte man, er würde ständig lächeln.
    Remlinger ließ ein paar Sekunden verstreichen. Er wirkte völlig gelassen.
    Jepps steckte beide Hände in die Hosentaschen und bewegte die Finger darin. »Wir müssen etwas besprechen, Arthur.«
    »Das sagten Sie schon«, antwortete Remlinger. »Deshalb sind wir ja jetzt hier.«
    »Vielleicht sollten wir besser allein darüber reden«, meinte Jepps. »Verstehen Sie?«
    »Wollen Sie nicht besprechen, wann Sie auf Gänsejagd gehen?« Remlinger tat überrascht. »Ich dachte, darum geht es Ihnen. Aber vielleicht soll ich noch etwas anderes für Sie arrangieren.«
    »Nein«, sagte Crosley. Die Pritsche stand im Dunkeln neben dem kalten Fenster mit meiner Lavendelkerze davor.
    »Wir wollen Ihnen keine Scherereien machen, Arthur«, sagte Jepps und setzte sich auf den alten Stuhl mit der geraden Lehne, über den ich immer Hemd und Hose gehängt hatte. Er beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie. Sein Bauch saß stramm und hart unter dem grünen Hemd. Unter meiner Pritsche lagen die Postkarten mit den nackten Frauen, die ich hiergelassen hatte. Keiner würde sie entdecken.
    »Das weiß ich zu schätzen«, sagte Remlinger. »Auf jeden Fall.«
    »Wir finden …«, sagte Crosley. Er machte eine Pause, als wäre das Nächste, was er sagen wollte, besonders bedeutsam und er wollte es ein letztes Mal überdenken. Er sah zu Arthur hoch und blinzelte mehrmals. »Wir finden …«, wiederholte er und brach wieder ab.
    »Ich war früher Polizist«, sprang Jepps ein. »Ich habe eine Menge Leute verhaftet. Das können Sie sich vorstellen – in Detroit.« Jepps lächelte mit seinem lockeren Kiefer, was gar kein Lächeln war. »Viele von denen, die ich verhaftet habe und die ins Gefängnis kamen – manche für lange Zeit –, hätten gar nicht da reingehört. Sie hatten nur einmal einen Fehler begangen. Aber weil ich sie dabei erwischt hatte und sie mir erklären konnten, was sie getan hatten, wusste ich, sie würden diese Grenze nie wieder überschreiten. Verstehen Sie, was ich meine, Mr Remlinger?« Zum ersten Mal setzte Jepps uns gegenüber sein ernstes Gesicht auf. Er musterte Arthur, als wäre er es gewohnt, dass man ihm Aufmerksamkeit schenkte, und erwartete das auch jetzt. Sie waren bei der ernsten Absicht angekommen, die sie den weiten Weg hierher geführt hatte.
    »Ja«, sagte Arthur. »Das klingt ziemlich sinnvoll. Passiert sicher ständig.«
    (Wenn ich heute daran zurückdenke, fünfzig Jahre später, aus einem anderen Jahrhundert, so wird mir klar, ich hätte in dem Augenblick spüren können, dass Arthur imstande war, Jepps und Crosley beide zu erschießen, diesen Gedanken aber für sich noch nicht ganz ausformuliert hatte und deshalb immer noch so tat, als wollte er einfach alles leugnen. Also hörte er ihnen zu. Manchmal sprechen die Menschen und meinen irrtümlicherweise, sie wären die Einzigen, die zuhörten. Sie sprechen nur für ihre eigenen Ohren und vergessen, dass andere sie auch hören. Jepps und Crosley verfolgten einen Weg, den sie für vernünftig hielten, der auf ihr Ziel zuführte. Sie hatten beschlossen weiterzumachen. Sie wussten nicht, dass Arthur jegliche Vernunft schon lange aufgegeben hatte.)
    »Wir sind der Überzeugung«, setzte Crosley bedächtig an, »dass aus alldem nur dann

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