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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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glaubten und ahnten, was passieren würde – wenn sie den Überblick nicht verloren hatten.
    Remlinger ging durch den Windfang hinein, dessen Glasscheiben fehlten. Er trat zur Tür und schob sie mit dem Fuß auf.
    Jepps, das konnte ich erkennen, stand immer noch in dem fahlen Licht, wie zuvor. Crosleys Beine waren das Einzige, was ich von ihm sehen konnte. Er saß immer noch auf der Pritsche. Sie erwarteten nur eine Fortsetzung des Gesprächs. Sie waren genau die unkomplizierten Männer, als die sie beschrieben worden waren. Remlinger hatte sie falsch eingeschätzt. Er trat vor in den beleuchteten Eingang. Ich konnte auf Jepps’ Zügen lesen, dass er ihn gleich gesehen hatte. Und Arthur hob seine silberne Pistole und erschoss ihn. Ich sah ihn nicht fallen. Aber als Arthur weiter in die Küche vordrang – um Crosley zu töten –, sah ich Jepps auf dem Linoleum liegen, seine großen Füße weit auseinandergekippt. Pop machte die Pistole. Kein großes Kaliber. Eine Damenwaffe nennt man so etwas. Ich hörte keine Schreie oder Stimmen. Mein Fenster war geschlossen, die Heizung blies. Aber ich hörte auch die Schüsse, die Crosley töteten. Ein Pop ging los, und ich sah Crosley nach rechts taumeln, im Versuch, sich hinter der Pritsche zu verstecken. Arthur trat näher auf ihn zu. Ich sah genau, wie er die silberne Pistole direkt dorthin richtete, wo Crosley hinter der Pritsche in Deckung gegangen war. Arthur schoss noch zweimal. Pop. Pop . Dann drehte er sich fast beiläufig nach Jepps um, der am Boden lag und dessen linker Fuß hektisch auf und nieder zuckte. Fast rücksichtsvoll zielte er auf Jepps’ Kopf oder Gesicht und schoss ein letztes Mal. Pop . Fünf Schüsse, alles in allem. Fünf Pops . Und ich hatte alles durch die offenstehende Tür gesehen, aus dem Buick heraus. Arthur betrachtete Jepps, während er seine Pistole in der Seitentasche seiner Jacke unterbrachte und etwas sehr Aufgeregtes sagte. Er schien eine Grimasse zu schneiden, stach dreimal mit dem Zeigefinger nach ihm und sagte, mit noch größerem Nachdruck, für mich tonlose Worte (Jepps hörte sie allerdings auch nicht), in die er all seine Missbilligung legte. Dann drehte er sich um und sah durch die offene Tür, durch die verschneite Dunkelheit auf mein Gesicht, das eingerahmt war vom Wagenfenster und dessen Ausdruck ich mir nicht vorstellen kann. Nun richtete er sich, unter seinem großen Hut hervor, an mich, die Lippen in heftiger Bewegung, als könnten seine Worte richtigstellen, was er gerade getan hatte. Auch wenn sie meine Ohren nie erreichten, ich spürte doch, was sie besagten. »So. Das hätten wir jetzt geklärt, wie? Ein für alle Mal.«

66
    Wir begruben die beiden Amerikaner in der Nacht ihres Todes. Was für ein Mensch Arthur Remlinger war, lässt sich daran ermessen, dass er mich zwang, Charley Quarters und Ollie Gedins (Mrs Gedins’ Sohn, dem großen Mann mit Mütze und Windjacke, den ich auf dem Parkplatz vom Leonard gesehen hatte) beim Transport der Leichen zu den Löchern in der Prärie zu helfen, wo die beiden Amerikaner – wenn sie es denn erlebt hätten – am nächsten Morgen mit mir als ihrem »Führer« Gänse gejagt hätten. Es lässt sich außerdem daran ermessen, dass er sich nicht im mindesten um mich kümmerte oder für mich interessierte oder auch nur irgendeinen Plan hatte, was aus mir werden sollte, über seine spontanen Entscheidungen hinaus; ganz sicher lag ihm nichts daran, meinen Bildungshorizont zu erweitern, abgesehen von der (neuerlichen, noch schlimmeren) Erkenntnis, dass weitaus mehr möglich ist, als sich mein fünfzehnjähriger Kopf je vorstellen konnte. Wenn er später an diese Ereignisse zurückdenken würde, falls er das überhaupt tat, wäre kein Gedanke an mich dabei, vielleicht käme ich nicht mal darin vor – wie ein liegengelassener Hammer auf einem Foto, nur vorhanden, um den Maßstab anzuzeigen, als Bezugsgröße, deren Wert sich erschöpft hat, sobald das Foto gemacht war. Schließlich hatte er jeglichen Maßstab, den er sich selbst hätte setzen können, aufgegeben, genau wie jegliche Vernunft. Er tat nur, was er wollte, innerhalb der von ihm allein wahrgenommenen Grenzen. Dass er mich an dem Abend niemals hätte dorthin bringen dürfen, dass er, wenn nicht den Verlauf, so doch die Gestalt meines Lebens veränderte, dass er mein Leben in Gefahr gebracht hatte (ich hätte ebenso leicht erschossen werden können, wenn die Dinge anders verlaufen wären) – all das war der Fall. Und es war

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