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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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nur noch Schnee kam herunter.
    »Nein, Sir«, sagte ich. Ich hatte ihm nicht erlaubt, mich als seinen Sohn zu bezeichnen. Alles an ihm war Täuschung. Ich wusste nicht, warum er mich da mit hineinzog. Und natürlich war ihm egal, ob ich zustimmte oder nicht.
    »Schau her«, sagte Remlinger, schaltete den Motor aus und dann die Scheinwerfer, was seine Gestalt mit dem Hut imposant wirken ließ. Er holte tief Luft. Seine Jacke knirschte und verströmte ihren Ledergeruch. »Es besteht kein Grund zur Aufregung. Ich will diesen zwei Trotteln nur zeigen, mit wem sie es zu tun haben. Du brauchst gar nichts zu sagen.«
    Er tat nicht mehr so, als hätte unser Hiersein etwas mit der Jagd zu tun oder dem Glücksspiel oder Mädchen. Er hatte mir nichts erzählt, aber er konnte jetzt die Möglichkeit zulassen, dass ich es wusste – denn das wusste er.
    Ich holte nun auch tief Luft und versuchte, die Übelkeit irgendwie auszuatmen. Das Surren unter meinen Rippen hatte nicht nachgelassen. Ich hätte gern gesagt, dass ich nicht mit hineinkommen wollte. Ich wollte nicht noch einmal die verdorbenen Gerüche und den verrotteten Gipsstaub einatmen, die Last der niedrigen Decke auf mir spüren und den fluoreszierenden Leuchtring trostlos flimmern sehen wie in einer Gefängniszelle. Ich hätte nicht sagen können, inwiefern ein Ding etwas anderes »bedeutete«. Aber der Schuppen, in dem die beiden Amerikaner uns erwarteten, bedeutete etwas Schlimmes, und da wollte ich nicht in der Nähe sein.
    Wenn ich allerdings nicht mitging, würde es Theater geben. Remlinger war jähzornig – laut Charley wegen all seiner Enttäuschungen. Er hatte mir zwar nie irgendetwas angetan, aber wenn ich darauf beharrte, im Wagen zu bleiben, konnte er sich auch gegen mich wenden. Er hatte überhaupt kein Interesse an mir. So sind die Menschen, dachte ich – ihren Worten und Gefühlen fast immer fremd.
    Mitkommen wäre einfacher. Die beiden Amerikaner konnten ihre Haltung erläutern, so vernünftig, wie ich sie einschätzte. Remlinger konnte alles abstreiten und sie täuschen. Dann konnten sie abfahren. Morgen konnte ich Florence sagen, ich sei bereit für Winnipeg. Remlinger, so dachte ich, würde nichts tun, um mich davon abzuhalten. Und so würde ich alles in allem vor einem schlimmeren Schicksal bewahrt.
    »Ich rege mich nicht auf«, sagte ich, die Übelkeit war von mir gewichen, vertrieben durch die Erkenntnis, dass ich mir alles leichter machen konnte, indem ich einfach mitging.
    »Ich dachte, du wärst gerade ins Schwanken geraten«, sagte Remlinger. Sein Gesicht lag im Dunkeln. Er rutschte auf dem Sitz hin und her, seine Stiefel scharrten am Boden.
    »Bin ich nicht«, sagte ich.
    »Dann ist es ja gut. Denn es gibt keinen Grund, vor diesen beiden Angst zu haben. Sie wissen überhaupt nichts. Wir brauchen nicht lange da drinnen zu bleiben. Und danach können wir mit Flo zu Abend essen.«
    »In Ordnung«, sagte ich und dachte, wie glücklich es mich gemacht hätte, wenn Florence da gewesen wäre. Ihr wäre etwas eingefallen, damit ich bei ihr im Auto hätte bleiben können. Aber ich war auf mich gestellt, so würde es sein. Remlinger stieg aus, ich stieg aus, und wir gingen zusammen auf den Schuppen zu.

65
    Remlinger klopfte an die kleine Tür im Windfang. Ich stand hinter ihm. Fast augenblicklich ging die Tür auf. Der ältere Mann, Jepps, stand lächelnd da, mit seinem Toupet und einem grün-karierten Hemd und einer Wollhose, die neu aussah. Crosley saß auf einer der beiden Pritschen im Dunkeln. Er hatte einen schweren Wollmantel an, weil es wie immer kalt dort drinnen war. Er starrte uns durchdringend an. Sie sahen für mich nicht mehr wie die Männer aus, die sich am Vortag an der Rezeption eingetragen und später mit Remlinger in der Bar gesprochen hatten. Sie verströmten eine Zielstrebigkeit, die den kleinen Raum fast zum Platzen brachte, als wäre er geschrumpft. Dabei war es dieselbe Küche, in der ich geschlafen hatte. Alles unverändert. Der Geruch nach kalter Erde, der einen vermuten ließ, direkt unter dem Linoleum müsse der blanke Boden sein, vermischt mit dem Duft der Lavendelkerze, die ich gekauft hatte. Einer von ihnen hatte Zigarre geraucht.
    Die Herdplatten waren eingeschaltet, um zu heizen, und glommen hellrot. Der Leuchtring schimmerte schwach. Der ausgestopfte Kojote stand immer noch auf der Kühltruhe, und die Tür zum hinteren Zimmer – wo ich die Pappkisten hin und her geräumt hatte – war geschlossen (dort konnte sich ein

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