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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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liegen. Er warf einen prüfenden Blick in die Küche, wo der zerbrochene Teller auf dem Linoleum lag. »Ist das Ihr Chevy hinterm Haus?«
    »Ja«, sagte mein Vater. »Sehr lange habe ich ihn noch nicht.«
    »Aber ein paar Tage haben Sie ihn schon, oder?«, sagte der Polizist. Ich wollte mich nicht bewegen, solange seine Hand auf mir lag.
    »Ja, ja«, sagte mein Vater. Er grinste meine Mutter an, als wäre das eine lustige Frage. Seine Gesichtszüge bewegten sich lebhaft, seine Augen flitzten hin und her, sein Mund schien sich schon vor dem Sprechen zu rühren. In beiden Mundwinkeln saßen ihm kleine Speichelklumpen. Er fuhr mit der Zunge über den einen, was seine Kiefermuskeln hüpfen ließ. Die Hände baumelten an seinen Seiten, als wollte er gleich etwas Unerwartetes tun.
    »Vielleicht geht ihr Kinder mal in eure Zimmer und setzt euch da hin«, sagte unsere Mutter.
    Berner stand sofort auf und nahm ihre Reisetasche. Aber der dicke Polizist hob die Hand und sagte: »Besser hierbleiben, würde ich sagen.« Er zog mich zu sich, so dass ich seine Pistole unter der Jacke spüren konnte. Berner hielt inne und sah unsere Mutter an. Ihr Mund kräuselte sich, was bedeutete, dass sie sich ärgerte.
    »Tu, was er dir sagt«, sagte meine Mutter. Berner ging steif zu der Couch zurück und setzte sich hin, die Tasche auf den Knien.
    Der dicke Polizist ging zum Klavier und beugte sich vor, um sich die Abschiedsurkunde meines Vaters genauer anzuschauen, ebenso das Foto von Präsident Roosevelt und das Metronom.
    »Haben Sie Ihre Fliegermontur von der Air Force noch?« Der Polizist schob seine Brille auf die Nasenspitze und ging noch näher an die Abschiedsurkunde heran, als interessierte sie ihn.
    »Gottchen, nein«, sagte mein Vater. »Ich habe bessere Kleider. Ich arbeite jetzt im Farm-und-Ranch-Geschäft.« Mir war schleierhaft, warum er deshalb log.
    »Wie heißen Sie, junge Dame?«, fragte der dicke Polizist. Er drehte sich nach Berner um. Der junge Polizist behielt meinen Vater im Blick.
    »Berner Parsons«, sagte sie. Es klang falsch, sie das in unserem Haus sagen zu hören.
    »Waren Sie in letzter Zeit mal in North Dakota, Berner?«, fragte der Polizist.
    »Nein.« Sie schüttelte den Kopf.
    »Rede nicht mit ihm«, sagte meine Mutter plötzlich sehr wütend. Aber sie blieb an ihrem Platz am Tisch. »Sie ist ein Kind.«
    »Natürlich muss hier keiner mit mir reden.« Der Polizist lächelte meinen Vater auf eine Weise an, die seine roten Polizistenwangen aufblähte und seine Augenbrauen in die Höhe trieb. Er schob seine Brille auf der Nase hoch, steckte die Daumen unter den Gürtel und zog seine Hose über den Bauch, was die weißen Socken in seinen schlammigen Überschuhen entblößte. Er stieß einen Seufzer aus. »Vielleicht gehen wir mal raus, Bev, und reden ein bisschen weiter. Bishop kann sich hier um alle kümmern, bis wir wieder da sind.« Er nickte dem anderen Polizisten zu, der von der Tür wegging.
    »Okay«, sagte unser Vater. Sein Südstaatenakzent war jetzt unüberhörbar. Er ließ die Arme immer noch vor und zurück baumeln und sah nach links und rechts, als ob ihn alle beobachteten. Es war nicht schön, ihn so zu sehen. Er wirkte hilflos. Das habe ich nie vergessen.
    Der andere Polizist, Bishop, griff hinter sich und stieß die Fliegengittertür auf. Die Sonne war zwischen den Bäumen durchgekommen und wärmte die Luft draußen auf. Der Regen von letzter Nacht glitzerte auf unserem Rasen. Die Lutheraner gingen zur Kirche. Mein Vater ging auf die Tür zu, der Polizist mit dem dicken Bauch führte ihn mit einer Hand auf dem unteren Rücken. »Worüber sollen wir denn reden?«, sagte unser Vater, als er hinaus auf die Veranda trat. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und schaute zu Boden, als müsste er nachsehen, wo seine Stiefel hin wollten.
    »Ach, wir denken uns was aus«, sagte der dicke Polizist hinter ihm.
    »Du musst überhaupt nichts sagen«, rief unsere Mutter.
    »Das weiß ich«, sagte unser Vater.
    Der andere Polizist, Bishop, schloss die gläserne Haustür. Ich konnte nicht erkennen, was draußen vor sich ging, und dann waren wir alle vier zusammen allein in unserem Haus.

30
    Es waren vielleicht fünf Minuten, hätten aber auch fünfzehn sein können, die wir mit dem anderen Polizisten, Bishop, im Haus verbrachten. Die Glocke der Lutheraner läutete noch mehrere Male. Sie hatten die Türen geschlossen und mit ihrem Gottesdienst begonnen.
    Die Sonne stand auf dem Dach, und es war heiß und

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