Kanada
still im Wohnzimmer geworden. Normalerweise hätten wir den Ventilator eingeschaltet, aber keiner von uns rührte sich. Ich legte meinen Kissenbezug am Boden ab und setzte mich auf die Klavierbank. Meine Mutter sah mich unverwandt an, als gäbe es irgendetwas, das ich denken sollte. Ich wusste nicht, was. Ich fragte mich, worüber mein Vater überhaupt nichts sagen musste. Ich nahm an, die Polizisten würden bald gehen, und dann würden wir es besprechen. Mittlerweile hatten wir unseren Zug verpasst.
Der junge Polizist stand mit dem Rücken zur Haustür, die Hände in den Jackentaschen. Er hatte ein Kaugummi im Mund, und irgendwann nahm er seinen Hut ab und rieb sich die Stirn mit einem weißen Taschentuch ab. Er hatte kurze, fast weißblonde Haare und sah ohne Hut jünger aus. Ich hielt ihn für dreißig, aber ich habe das Alter der Leute schon immer schlecht schätzen können. Seine Haare und sein breites Gesicht und seine geschlitzten Augen passten nicht zusammen, aber für einen Polizisten wirkte es natürlich. Er sah aus wie die Art Junge, die Berner vielleicht gefiel. Seine Augen hatten dieselbe Wildheit wie Rudys.
»Gehst du zur Schule?«, fragte er mich. Meine Mutter starrte mich weiter an, sagte aber nichts. Ich wusste nicht, was ich tun oder nicht tun sollte. Berner rutschte unbehaglich in ihrem Kleid herum. Sie setzte ihre grüne Tasche ab und seufzte tief, um deutlich zu machen, dass sie ungeduldig wurde.
»Ja«, sagte ich.
Er wischte sich auch die Augen mit dem Taschentuch ab, faltete es zusammen und steckte es wieder in die Jacke, dann setzte er den Hut auf. Mit Hut sah er aus, als wäre er zu jung, um einen Hut zu tragen.
»Meriwether Lewis«, sagte ich.
»Du bist schon auf der Junior Highschool?« Er wirkte überrascht. »Du siehst nicht groß genug dafür aus.« Ich blickte meine Mutter an. Ich wusste nicht, was in ihrem Kopf vor sich ging. »Ich war vor fünfzehn Jahren da«, sagte Bishop. »Inzwischen hab ich selber Kinder.« Er betrachtete meine Mutter und ließ seinen Blick auf ihr ruhen. »Haben Sie viele Bekannte in Great Falls?« Meine Mutter richtete langsam die Augen auf ihn, dann auf ihre Hände, die gefaltet auf der Tischplatte lagen. Dann richtete sie den Blick plötzlich zum vorderen Fenster, hinter dem sie vielleicht meinen Vater und den anderen Polizisten erkennen konnte. »Sind Sie die natürlichen Eltern dieser Kinder?«, fragte Bishop, als sie die erste Frage nicht beantwortete. Er lehnte sich an die Türfüllung und starrte weiter meine Mutter an, als sehe sie für ihn merkwürdig aus – was wohl auch so war.
»Geht Sie das irgendwas an?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Bishop. »Würd ich nicht sagen.« Er zog sich am linken Ohrläppchen und lächelte. Meine Mutter ließ ihre Augen wieder zum Fenster schweifen.
Der Polizist draußen lachte, als würden er und unser Vater sich gerade über einen Witz amüsieren. Ich konnte sie durch die Glastür hören. Irgendwie dachte ich, jetzt ist alles gut. Der Polizist sagte: »Oh, das ist verständlich, Bev. Es ist unsere Aufgabe.«
»Sie beide wirken gar nicht wie Bankräuber«, sagte Bishop. »Sie sehen eher aus wie Leute, die in einem Lebensmittelgeschäft arbeiten.«
Einen Augenblick lang bekam ich keine Luft in die Lungen. Mein Mund klappte auf, um etwas zu sagen. Aber es kamen keine Worte hervor. Ich machte den Mund wieder zu und versuchte, einen ganzen Atemzug zu schaffen. Berner wollte ich nicht anschauen.
»Das geht Sie auch nichts an«, sagte meine Mutter.
»Tja, da irren Sie sich jetzt«, sagte Bishop.
Jemand sprach auf der anderen Seite der Haustür. Schwere Schritte donnerten über die Dielenbretter der Veranda. Meine Mutter blieb am Esstisch sitzen. Mein Herz hatte angefangen, in meiner Brust zu hämmern. Ich wollte, dass sie laut sagte, hier sei niemand ein Bankräuber. Stattdessen starrte sie mich nur an. »Ihr zwei rührt euch nicht vom Fleck. Bleibt einfach im Haus«, sagte sie zu Berner und mir. »Versteht ihr? Geht mit niemandem mit, außer mit Miss Remlinger. Ist das klar?« Ihre Hände rutschten hin und her, die Linke hielt die Rechte, die Rechte hielt die Linke.
Die Haustür ging auf – es kam mir abrupt vor –, und der dicke Polizist kam mit großen Schritten herein. Er hielt seinen kleinen Hut in der Hand. Sein Schädel war fast kahl und rund und hatte rote Flecken drauf. Ich konnte unseren Vater draußen auf dem Rasen sehen, die Hände auf dem Rücken. Er grinste zur Haustür hin und schüttelte den
Weitere Kostenlose Bücher