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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Verbindungsstücke. Bis zu dieser Phase war die Zeit fast nahtlos vergangen, in der dauerhaften Ordnung des Familienlebens. Selbst heute kann ich mir manchmal vorstellen, die nächsten beiden Tage wären nie geschehen, ich hätte sie geträumt oder falsch in Erinnerung. Obwohl es falsch ist, schlechte Ereignisse wegzuwünschen, als hätte man seinen Weg in die Gegenwart je mit anderen Mitteln finden können.
    Zwei massige Männer standen auf der Veranda, als unser Vater die Haustür öffnete. Unsere Mutter kam aus der Küche und setzte sich an den Esstisch. Ihr Koffer stand neben der Couch, wo Berner immer noch saß, die grüne Reisetasche zwischen den Füßen. Ich war im Flur, meinen rosa Kissenbezug mit den Schachfiguren und Büchern in der Hand. Unsere Mutter hatte sich gar nicht erst mit dem heruntergefallenen Teller aufgehalten.
    »Na, hallo, Bev«, sagte einer der Männer von draußen. Sie hatten beide Anzüge an, mit offenen Sakkos, außerdem Sommerhüte mit kleiner Krempe. Sie hatten schwere Körper, massiver als mein Vater, aber nicht größer. Es waren die beiden, die im schwarzen Ford hinter uns hergefahren und in der Seitenstraße hinter unserem Haus gewesen waren – die aus meinem Traum. Der schwerere und ältere der beiden hatte ein großes, fleischig-weiches rötliches Gesicht mit dichten Augenbrauen und einem dicken Hals, der ins Kinn überging. Er trug eine Brille. Er war der Fahrer gewesen und derjenige, der auf mich gezeigt hatte. Das war die Polizei.
    Unser Vater warf einen Blick nach hinten zu unserer Mutter. Er lächelte, als wäre es lustig, dass die Polizei seinen Namen kannte und wusste, dass wir hier wohnten.
    »Was soll der ganze Aufruhr, Jungs?«, sagte unser Vater in aufgesetztem Ton. Die beiden Männer hatten sich schon durch die Tür geschoben. Da sie zu breit waren, um gleichzeitig durchzukommen, hatten sie sich ein bisschen seitlich drehen müssen.
    »Gar kein Aufruhr, Bev«, sagte der dicke Polizist und schob sich mit einem prüfenden Blick an unserem Vater vorbei, was sich wohl noch in unserem Wohnzimmer befand. Sein Mund schien fast zu lächeln, aber nicht ganz. Der andere Mann war jünger und schlanker, aber dennoch massig, mit einem breiten Gesicht und leicht geschlitzten blauen Augen. Ich hatte mal gehört, dass das auf eine finnische Herkunft schließen lasse. Auch er spähte herein. »Wen haben Sie denn noch hier drin, Bev?«, sagte der ältere Polizist. Mein Vater trat einen Schritt zurück, streckte die Arme vom Körper weg und sah sich selbst im Zimmer um.
    »Nur uns Hühner.« Er reagierte entspannt auf das, was passierte.
    »Zufällig eine Pistole dabei, hm?« Der dicke Polizist streckte seine große Hand aus und berührte meinen Vater an der Schulter. Beide standen in unserem Wohnzimmer. Es war plötzlich ganz voll, als wäre kein Platz mehr übrig. Sechs Menschen. Noch nie waren sechs Menschen in diesem Raum gewesen. Ich konnte den älteren Polizisten atmen hören.
    »Ganz und gar nicht.« Mein Vater sah an sich herab, denn dort hätte die Pistole ja sein müssen. »Ich besitze gar keine Pistole.« Seine Stimme klang jetzt deutlich stärker nach Südstaaten.
    »Nicht irgendwo im Haus?« Der Blick des Polizisten schweifte umher. Seine Brillengläser vergrößerten die blassblauen Augen.
    »Nein, Sir. Nirgendwo in diesem Haus.« Mein Vater schüttelte den Kopf.
    »Und haben Sie kürzlich North Dakota einen Besuch abgestattet, Bev?« Der dicke Polizist trat nicht sehr ernst auf, so als wäre das ein beiläufiges Gespräch. Er trat an meinem Vater vorbei auf mich zu, beugte sich an mir vorbei in den Flur und schaute bis zum Badezimmer und zum Schlafzimmer meiner Eltern. Der größere, jüngere Polizist starrte meinen Vater an, als wäre das seine Aufgabe.
    »Wie geht’s, Junge?« Der dicke Polizist legte jetzt seine große Hand auf meine Schulter. Er roch nach Zigarren und Leder. Er trug Überschuhe aus Gummi, die schlammverschmiert waren. Kleine Schlammklumpen waren schon auf unseren sauberen Boden gefallen.
    »Gut«, sagte ich. An seinem Hosengürtel, unter seiner Jacke, steckte ein goldenes Abzeichen. Sein Hemd spannte über dem Bauch. Am Revers steckte ein winziges goldenes Dreieck.
    »Reisepläne, wie?«, sagte er freundlich.
    Ich warf meiner Mutter einen Blick zu. »Wir wollen nach Seattle fahren. Mit dem Zug heute. Ihre Großeltern besuchen«, sagte sie.
    »Ich war nicht in North Dakota«, sagte mein Vater.
    Der dicke Polizist ließ seine Hand auf meiner Schulter

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