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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Kopf und rief irgendetwas. Ich dachte, er riefe mir etwas zu, aber ich konnte ihn nicht verstehen.
    »Fahren wir nicht nach Seattle?«, sagte Berner. Sie saß immer noch in ihrem gepunkteten Kleid auf der Couch. Sie konnte nicht durch die Tür nach draußen sehen.
    »Tut einfach, was ich sage«, wiederholte unsere Mutter.
    »Ich muss Sie jetzt bitten aufzustehen, Mrs Parsons«, sagte der dicke Polizist. Dass er sie »Mrs Parsons« nannte, war unerwartet und schockierend.
    Auf einmal gab es viel Bewegung im Zimmer, große Unruhe – Schuhe und Stühle, die über den Boden scharrten, Materialien, die sich gegeneinander rieben, Atmen und zusammengepresstes Leder. Bishop zog ein Paar silberne Handschellen hervor, er und der kahle Polizist gingen um den Esstisch herum und legten meiner Mutter die Hände auf die Schultern. »Kommen Sie, stehen Sie für mich auf, Neeva«, sagte der dicke Polizist. Er legte seinen Hut auf den Tisch. Unsere Mutter stand nicht auf, bewegte sich gar nicht, sondern wurde starr und sagte nichts – obwohl ihr Mund leicht geöffnet war. Die beiden Polizisten links und rechts hoben sie empor, bogen ihre Arme nach hinten und zogen die Hände auf ihrem Rücken zusammen. Sie wehrte sich nicht, aber ihre Hände hatten gezittert, und sie blinzelte die ganze Zeit hinter ihrer Brille, dann schaute sie nach oben. Der dicke Polizist nahm die Handschellen und klickte sie behutsam auf die Handgelenke meiner Mutter. »Nicht zu eng für die Damen.« Er lächelte, als er das sagte.
    Unser Vater redete draußen allein weiter vor sich hin. »Das könnte alles noch viel schlimmer sein«, hörte ich ihn sagen. Ein paar Lutheraner waren aus ihrer Kirche gekommen und gafften. Ein Mann mit Cowboyhut sagte etwas, das ich nicht hören konnte. »Schon gut, schon gut«, rief mein Vater laut. »Der Jahrmarkt ist vorbei. Der Jahrmarkt ist vorbei.«
    »Ich habe hier zwei Kinder«, sagte unsere Mutter zu den Polizisten, die angefangen hatten, sie unbeholfen um den Esstisch herumzumanövrieren. Weil sie so klein war, reichten ihre Arme kaum bis hinten zum Rücken. Es ist nicht leicht zu beschreiben, was ich sah. Der Zigarrengeruch des dicken Polizisten stand überall im Zimmer, als hätte er geraucht. Er atmete verkrampft. Die Füße meiner Mutter bewegten sich nicht bereitwillig, aber sie kämpfte nicht und sagte nichts anderes, als dass sie zwei Kinder habe. Sie starrte vor sich hin – nicht auf mich –, als sei das, was sie gerade tat, schwer zu vollbringen.
    »O ja, das weiß ich wohl«, sagte der dicke Polizist und bewegte sie fast schwungvoll vorwärts. »Das weiß ich.«
    »Sagt uns, wo ihr hinfahrt«, sagte Berner. Sie wirkte ruhig, aber sie stand genauso unter Schock wie ich. Wir hatten keine Ahnung, was wir sagen oder tun sollten. »Wir sind hier, wenn ihr zurückkommt«, sagte sie. Die Polizisten führten unsere Mutter zur Haustür hinaus. Unser Vater stand auf dem Bürgersteig und redete wie ein Irrer. Meine Schwester und ich sahen alles. Man kann sich einfach nicht vorstellen, dass so etwas passiert.
    Dann stand ich von der Klavierbank auf. Aufstehen schien das Richtige zu sein. Mein Herz hämmerte weiter, aber ich fühlte mich zugleich ruhig, als wäre um mich herum nichts.
    »Vergesst nicht, was ich gesagt habe.« Unsere Mutter sprach, ohne sich umzudrehen. Sie standen auf der Veranda, und sie sah auf ihre Füße hinunter, passte beim Hinabgehen der Stufen auf, und so, wie die beiden Polizisten sie unter den Armen hielten, wirkte sie noch kleiner. »Geht nirgendwohin, bis euch Mildred abholen kommt.«
    Der dicke, massige Polizist drehte sich auf der untersten Stufe um und sagte zu mir: »Hol mal meinen Hut, Junge.« Der lag immer noch auf dem Esstisch.
    Ich ging durch das Zimmer und nahm den kleinen Strohhut – er war erstaunlich leicht und roch nach Schweiß und Zigarren. Ich kehrte auf die Veranda zurück und gab ihn ihm. Er schnippte ihn mit der Hand, die nicht meine Mutter am Arm hielt, auf seine Glatze.
    »Bald kommt jemand und kümmert sich um euch Kinder«, sagte er.
    Das Gesicht meiner Mutter fuhr herum zu mir. In meiner Erinnerung ist es umgeben von Dunkelheit. »Sie werden sie strikt in Ruhe lassen«, sagte sie wütend. »Ich habe bereits etwas für sie arrangiert.« Das sagte sie zu mir.
    »Das ist jetzt ein Fall fürs Jugendamt«, sagte der dicke Polizist und griff fester zu. »Damit haben Sie nichts mehr zu tun.«
    »Es sind meine Kinder.« Sie stierte ihn an.
    »Das hätten Sie sich früher

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