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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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Mittag müssen Sie endgültig zurück nach Indien.«
    »Was, wie bitte? Wo soll ich hin? Nach Indien? Was soll ich denn da? Gibt’s kein anderes Land, das mich haben wollte?
    Wieso werde ich nicht in die Türkei abgeschoben?«
    »Herr Engin, wir schicken die Asylbewerber immer in ihr Heimatland zurück. Wir machen da keine Ausnahmen. Als Urlaubsland müsste Ihnen Deutschland schon genügen. Sie sind aus Indien eingereist, also schicken wir Sie dorthin wieder zurück.«
    »Aber was soll ich denn da? Warum werde ich nach Indien geschickt?«
    »Weil Sie Inder sind, Herr Engin. Ist das so schwer zu verstehen?«
    »Aber ich hin doch gar kein Inder! Nicht mal mein Vater ist Inder gewesen. Nicht mal als Tourist war ich in Indien.«
    »Vielleicht haben Sie ja zuerst in der Türkei versucht, Asyl zu schinden und sind erst dann nach Deutschland gekommen. So machen es jedenfalls alle Iraner.«
    »Ich komme doch aus Indien und nicht aus dem Iran!«
    »Aha, jetzt plötzlich also doch!«
    »Nein, ich meine, Sie behaupten das ja! Jetzt hab’ ich’s, wegen meines Kopfverbands verwechseln Sie mich. Ich kann Ihnen erklären, warum ich den Turban trage. Meine Frau hier neben mir kann alles bezeugen. Ich komme aus der Türkei, nicht aus Indien! Warum sonst sollte meine Tochter Zeynep wohl in Istanbul bei ihrer Tante Urlaub machen und nicht in Bagdad?«
    »Osman, sei endlich ruhig«, stoppt mich Eminanim, »Bagdad ist doch bei Saddam und nicht in Indien. Frau KottzmeyerGöbelsberg, sind Sie sich wirklich sicher, dass dies die Akte von meinem Mann ist? Jetzt, da Sie ihn nach Indien abschieben wollen, ist es doch offensichtlich, dass hier eine Verwechslung vorliegt.«
    »Nein, nein, das hat schon alles seine Richtigkeit. Der Name, das Geburtsdatum, die Namen der Kinder, die Adresse, Karnickelweg 7b, das ist alles richtig. Da gibt es nichts zu verwechseln.«
    »Frau Kottzmeyer-Göbelsberg, ich traue dem Kerl ja alles mögliche zu. Er hat mich auch schon verdammt oft reingelegt.
    Aber das ist selbst für einen Gauner wie ihn eine Nummer zu groß. Wir stammen aus Nachbardörfern. Und die liegen immer noch in der Türkei.«
    »Das interessiert mich herzlich wenig, wo Ihr Dorf liegt. Wir schicken Sie auf jeden Fall am Montag nach Indien. Und von dort aus dürfen Sie hingehen, wohin Sie wollen, bloß nicht mehr nach Deutschland.«
    »Aber Frau Kottzmeyer-Göbelsberg, ich bin doch nicht in Indien geboren. Das muss doch in meinen Einreisepapieren von vor 30 Jahren stehen. »
    »Hier gibt es keine 30 Jahre alten Akten mehr. Wir haben voriges Jahr auf EDV umgestellt, und dabei wurde alles sorgfältig übertragen. Selbstverständlich werden die Daten der Ausländer kontinuierlich aktualisiert. Und hier steht nun mal, dass Sie aus Indien kommen. Also kommen Sie aus Indien. Der Flug nach Indien führt über die Türkei. Wenn Ihnen die Gegend so gut gefällt, können Sie von mir aus unterwegs abspringen. Da machen wir Ihnen absolut keine Vorschriften. Und jetzt bitte raus hier! Hauen Sie endlich ab! Sie, Sie Kanaken-Gandhi, Sie!«
    »Osman, ich habe gewusst, dass mit dir was nicht stimmt.
    Selbst wildfremde Frauen wissen über deine Lebensgeschichte besser Bescheid als ich«, zischt Eminanim beim Rausgehen, »du hast immer gesagt, dass du aus dem Nachbardorf stammst. Heißt dieses Nachbardorf etwa Kalkutta?«
    »Ich drehe gleich durch, was hier läuft, ist doch zum Verrücktwerden. Frau, hilf mir, mach sofort das Fenster auf!«
    »Osman, mach doch keinen Blödsinn! Aus dem Fenster zu springe n ist doch während der Arbeitszeit verboten! Warte etwas, in zwei Minuten ist doch Mittagspause!«
    »Das gilt doch nur für Behördenbesucher, aber nicht für die Beamten! Ich schmeiße jetzt diesen ekeligen Drachen mitsamt Computer aus dem Fenster!

    Donnerstag, 21. Juni, 20:25 Uhr

    »Ladies and Gentlemen, here’s the President of the United States, Mister Osman Engin! »
    Dann komme ich durch einen langen, schmalen Flur gelaufen, gehe direkt zum Mikrofon und rufe unter dem Beifall der Zuhörer: »Isch biin eyn Hämbörge r!«
    Ich mag nämlich keine Berliner, das Zeug ist mir viel zu süß.
    Seit Jahren wünsche ich mir heiß und innig, so wichtig und berühmt zu sein, wie der Präsident der USA. In Wirklichkeit geht es mir natürlich nur um den Moment, in dem man durch einen langen, schmalen Flur über einen sündhaft teuren Teppich läuft, um dann grinsend vor den Fernsehkameras aus aller Welt zu stehen. Und heute Abend bietet man mir endlich die

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