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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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das heißen? Wollen Sie mich etwa mit lächerlichen dreihundert Mark bestechen?! »
    »Mehr hatte mein ältester Sohn leider nicht zu Hause. Sie können das auch gewissermaßen als die erste Rate betrachten.«
    »Das darf doch nicht wahr sein! Sie wollen mich, eine deutsche Beamtin, mit so einem Witzbetrag bestechen? Ich lass’
    mich doch nicht in meiner Persönlichkeit beleidigen! »
    »Lieber Gott! Nimm doch den deutschen Kaufleuten und Beamten diese dumme Sucht, sich als gar so kostbar hinzustellen und sich mit etwas dicke zu tun, was meist gar nicht da ist: mit einer Persönlichkeit! Das sagte schon seinerzeit Kurt Tucholsky«, mischt sich Frau Tanja wieder ein, die es einfach nicht lassen kann, Frau Kottzmeyer-Göbelsberg zu ärgern. »Und wie man sieht, die Zeiten haben sich seitdem überhaupt nicht geändert«, fährt sie fort.
    Aber anstatt sich grün und blau zu ärgern, lacht sich meine Sachbearbeiterin fast schlapp.
    »Das gibt’s doch nicht«, schlägt sich Frau KottzmeyerGöbelsberg auf ihre strammen Schenkeln, »das kann doch gar nicht wahr sein! Eine Blondine kann Tucholsky zitieren! Das fasse ich nicht! Eine Blondine zitiert Tucholsky! Hiihaaahoooo, das ist der kürzeste Blondinenwitz aller Zeiten: Blondine zitiert Tucholsky!
    »Bezogen auf Aussage und Kürze ist der vergleichbar mit meinem Lieblingswitz«, strahlt der Beamte ein Tisch weiter.
    »Eine Blondine geht zur Uni, hiihoorrrhaaaa! Als ihn Frau Tanja mit einem knappen Augenaufschlag kurz fixiert, wird er schlagartig ruhig. »Ööö, eeh, Entschuldigung, gnädige Frau, war nicht persönlich gemeint.«
    Aber Frau Kottzmeyer-Göbelsberg kann sich gar nicht mehr einkriegen:
    »Dass ich das erleben darf: Eine Blondine zitiert Tucholsky, hoo haaa hiii hrhrhr! Das ist fast so gut wie der schönste Blondinenwitz überhaupt: Warum haben Blondinen, wie die da drüben aus Ostfriesland, eine Hirnzelle mehr als eine Kuh?«
    »Ja, warum denn?« frage ich fast automatisch.
    »Damit sie nicht muht und kackt, wenn man ihr ans Euter greift! Hohoha hrhrhrhr...«
    Zwei Beamte halten mit aller Kraft Frau Tanja fest, damit sie nicht schon in jungen Jahren zur Mörderin wird. Und da sage noch einer, deutsche Beamte seien nicht hilfsbereit, sondern nur faul und träge!
    Und je mehr Männer Frau Tanja festhalten, desto mutiger wird Frau Kottzmeyer-Göbelsberg.

    »Blondine und Ostfriesin, das ist ja fast genauso schlimm wie Ausländer und dazu noch Asylant.«
    »Sie, Sie, Sie, das werden Sie mir büßen, Sie Behörden-Plattarsch!« tobt Frau Tanja, während alle Beamten gemeinsam versuchen, sie nach draußen zu zerren. »Ich werde es niemals zulassen, dass Herr Engin abgeschoben wird!«
    »Los, hauen Sie schon ab! Suchen Sie sich doch einen anderen Zeitvertreib.«
    Das Rote Meer auf dem Flur beobachtet fassungslos die ganze Aktion, ohne auch nur einmal zu atmen. Mit ihren Plateau-Schuhen tritt Frau Tanja gegen Türen, Schränke, Knie und alles andere, was sich bewegt. Ich nutze die Gunst der Stunde -
    niemand achtet auf Frau Kottzmeyer-Göbelsberg und mich - und sage eindringlich zu ihr:
    »Bitte, Frau Kottzmeyer-Göbelsberg, bitte, schauen Sie sich meinen Pass genau an, der ist nicht abgelaufen. Die letzten beiden Male habe ich Ihnen meinen Pass nicht gezeigt, weil ich Angst hatte, Sie würden ihn einkassieren. Schauen Sie selbst, der ist absolut in Ordnung. Ich habe eine unbegrenzte Wohn-und Arbeitserlaubnis.«
    »Mir können Sie doch nichts vormachen, das ist doch eine Fälschung. Wen haben Sie denn dafür bestochen?« »Bei Allah, Frau Kottzmeyer-Göbelsberg, was kann ich denn tun? Was verlangen Sie dafür, dass Sie meine Abschiebung vergessen?«
    »Glauben Sie allen Ernstes, eine Beamtin wie ich würde sich von einem armen Schlucker, wie Sie es sind, mit nur dreihundert Mark bestechen lassen?«
    »Einen sehr gut erhaltenen, wunderschönen Ford-Transit kann ich noch anbieten. Der ist noch tiptop.«
    »Jetzt habe ich aber die Nase voll! Jetzt hauen Sie endlich ab!
    Aber die dreihundert Mark, die lassen Sie hier schön liegen. Das sind Beweismittel für den Versuch der Beamtenbestechung.«

    »Aber der Wagen hat ein neues Getriebe. Die Batterie ist auch so gut wie neu. Sie können ihn sozusagen als Dienstwagen benutzen.«
    Aber ganz eisern zeigt sie mir weiter, wo der Ausgang ist.
    »Machen Sie endlich die Tür von außen zu«, bellt sie.
    Im Fahrstuhl nach unten versucht Frau Tanja, ihre verrutschte Kleidung wieder etwas zu ordnen. »Ich habe den Verdacht, wir

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