Kanaken-Gandhi
engen Steintreppe und steigen hinab in einen dunklen, muffigen Kellergang. Über eine noch engere Steintreppe klettern wir noch weiter nach unten. Hier gibt’s nicht mal Lampen an den Decken.
Wir sind offensichtlich im Keller vom Keller; eine Tür reiht sich an die nächste. Nach zehn Metern sperrt der Vorposten auf der rechten Seite wieder eine Eisentür auf, und meine beiden neuen Bewacher schubsen mich in den niedrigen Raum hinein.
»Ihr braucht mich nicht ständig durch die Gegend zu stoßen, ich kann schon seit langem laufen.« Um mich besser zu orientieren, warte ich einen kurzen Moment, bis es heller wird.
Aber es wird nicht heller. Es kommt auch niemand mit einer kleinen Taschenlampe, der zu mir sagt: »Hier, mein Herr, das ist Ihr Platz. Der Hauptfilm beginnt in fünf Minuten!
»Hey Leute, das ist hier ja überhaupt kein Kino, das ist ja ein richtiges Gefängnis!« schreie ich erschrocken.
»Da könntest du Recht haben, das Park-Hotel ist es wirklich nicht«, lacht der Vorposten. »Aber du hast echtes Glück, du hast diesen Palast ganz für dich alleine. Bis heute morgen waren hier noch fünf von deinen Ausländerfreunden drin, die sind heute Mittag abgeschoben worden.«
»Bei Allah, den Gestank hier hält ja kein Schwein aus!«
»Ich sag’ doch, hier waren jede Menge Ausländer drin. Und die waren über vier Monate in dieser Kiste.«
»Die Brüder müssen aber ein ganz übles Deospray gehabt haben«, meint einer meiner neuen Wärter.
»Sagt mal, Leute, muss ich wirklich hier drin bleiben? Wollt ihr mich tatsächlich hier drin einsperren? Ich habe wirklich überhaupt nichts verbrochen. Diese Zelle ist ja noch kleiner als das Bahnhofsklo.«
»Aber du bist hier doch auf dem Bahnhof. Du wartest hier auf den großen Abschiebungs-Express!«
»Leute, macht keinen Quatsch. In dem Loch kann ich es keinen Tag aushalten. Hier drehe ich nach fünf Minuten völlig durch. Warum sperrt ihr mich in so einer Arrestzelle ein?! Was habe ich denn so Schreckliches verbrochen?«
»Du bist von der Ausländerbehörde als hochgradig selbstmordgefährdet eingestuft worden. Du sollst sogar mal angedroht haben, aus dem Fenster zu springen.«
»Hey, hey, hey, das war doch nicht ernst gemeint. Man wird ja doch mal einen Spaß machen dürfen. Das habe ich doch nur so gesagt. Ihr könnt mich doch deswegen nicht in diese stinkende, dunkle Kloake einsperren!«
»In eine Gemeinschaftszelle können wir dich nicht stecken.
Hier gibt es genug Psychopathen, die einem Spinner wie dir für nur fünfzig Mark den Hals umdrehen.«
»Ihr wisst doch genau, dass ich keinen Pfennig dabei habe. Ihr habt mir doch eben alles weggenommen. Ich kann mir gar keinen Privatkiller leisten.«
»Also wirklich, die einen verklagen uns, weil sie nicht mit so vielen zusammengepfercht leben wollen, und du beschwerst dich, weil du einen eigenen Raum zur Verfügung hast. Willst du als Inder eigentlich mit diesen dreckigen Afrikanern und stinkenden Türken zusammenhocken?«
»Bitte, Chef, lassen Sie mich in Ihrem Bürocontainer warten.
Ich werde auch ganz bestimmt nicht weglaufen. Ich werde neben der Fototapete mit dem Sonnenuntergang ganz brav sitzen bleiben und keinen Mucks von mir gehen, bis die Sonne auf dem Bild wieder aufgeht.«
»Hör mal zu, du Komiker, ich lasse noch nicht mal die normalen Wärter an meinem Sonnenuntergang teilhaben.
Schließlich werden die Goldfische in meinem Büro unruhig, wenn so viele Menschen rein- und rausrennen. Pass du mal lieber auf, da in der Ecke befindet sich das Plumpsklo. Den dicken Holzpfropfen musst du wieder in das Loch stecken, sonst kommen da Ratten raus.«
»Wie? Ratten gibt’s hier auch?«
»Ja, aber nur ganz große, damit du dich nicht so einsam fühlst.
Aber nachts musst du halt ein bisschen aufpassen. Hier sind schon genug Leute morgens aufgewacht und hatten eine Nase oder ein Ohr weniger. Hörst du, wie die Tierchen quieken? Die wollen unbedingt reinkommen, um ihren Mitbewohner kennen zu lernen.«
Dann drehen die drei sich um und schließen die Tür hinter sich ab. Und mich lassen sie ganz alleine. Ganz mutterseelenallein in diesem Plumpsklo. Das Schlüsselbund-Gerassel wird immer leiser, bis nichts mehr zu hören ist. Ich habe früher schon des öfteren relativ lange Zeit im Klo verbracht, immer dann, wenn ich mal wieder Verstopfung hatte. Dann habe ich gelesen oder in der Nase gebohrt. Aber im Klo gewohnt habe ich bisher noch nie. Das ist eigentlich die optimale Gelegenheit, eine Verstopfung
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