Kanaken-Gandhi
haben alles nur noch mehr vermasselt«, sage ich schüchtern.
»Das war einfach nicht geschickt genug«, schnauft sie immer noch wütend, »wir hätten das Geld besser diskret auf das Bankkonto dieses Behörden-Plattarsches überweisen sollen, so wie das alle machen. Das war einfach nicht raffiniert genug, ihr das Geld wie auf dem Basar in die Hand zu drücken.«
»Frau Tanja, es wäre toll, wenn wir es wenigstens schaffen könnten, dass die mich nach Russland schicken anstatt nach Indien.«
»Weil Sie den brutalen Kapitalismus hier mittlerweile hassen?
Ich kann Sie beruhigen, Herr Engin, dort ist es inzwischen genauso schlimm.«
»Ach, nein, doch nicht deswegen, Frau Tanja. Ich meine, dann hätte ich doch bessere Chancen als Russland-Deutscher wieder zurückzukommen. »
»Das geht nicht mehr, Herr Engin. Dafür sprechen Sie schon viel zu gut Deutsch!«
Als im Erdgeschoss die Fahrstuhltür aufgeht, versperren uns zwei Männer den Weg.
»Gehen Sie mal ein bisschen zur Seite, meine Herren. Lassen Sie uns erst mal raus, dann dürfen Sie sofort Fahrstuhl fahren«, ruft Frau Tanja etwas genervt.
Ihr Prophetenimage hat heute doch ein paar Kratzer abbekommen. Nicht alle Männer machen ihr automatisch den Weg frei. »Sprechen wir mit Herrn Engin?« sagt einer der Männer. Der andere greift meinen rechten Arm und sagt: »Sie müssen mitkommen!«
»Was soll denn das? Wer sind Sie überhaupt? Lassen Sie den Mann in Ruhe«, schreit Frau Tanja und versucht meinen Arm zu befreien.
Der andere Mann packt sie an den Schultern und schubst sie einfach zur Seite.
Mit einem kurzen Schrei landet Frau Tanja auf dem Boden.
Sie plumpst auf den harten Beton, als wäre sie von einer hohen Leiter gefallen.
Wie können es denn diese beiden brutalen Kerle wagen, im Beisein eines aufrechten Mannes eine hilflose Frau so zu misshandeln?
Gerade will ich mich auf meine alten Tage hin auf eine Schlägerei einlassen, da sehe ich einen Revolver unter der Jacke hervorlugen.
»Was? Wie? Was soll das? Wieso soll ich mitkommen? Was hat Frau Tanja euch angetan?« frage ich verschüchtert.
»Wir sind von der Kriminalpolizei. Sie sind festgenommen.
Sie kommen in Abschiebehaft, weil bei Ihnen die akute Gefahr des Untertauchens besteht.«
Freitag, 22. Juni, 11:36 Uhr
Die Eisentür in der dicken, hohen Mauer geht wie von selbst auf. Die beiden Männer, die mich verhaftet haben, lassen mich vorgehen, höflich wie sie nun mal sind. Nach zehn Metern kommen wir zu einem Bürocontainer, den man fast fünfzig Meter vor dem eigentlichen großen Gebäude auf den Hof gestellt hat. So einen Bürocontainer hat mein Meister von Halle 4 auch. Alle drei gehen wir in die Blechkiste rein. So schöne Goldfische hat mein Meister allerdings in seinem Aquarium nicht. Und die abgeschabte Fototapete mit dem romantischen Sonnenuntergang lässt wehmütige Urlaubsgefühle bei mir aufkommen. Werde ich jemals wieder mit meinem Ford-Transit am Bosporus parken dürfen?
»Ausziehen!« brüllt mich der einzige Beamte in der Blechhütte an.
»Wieso? Warum? Was denn? Die Schuhe?«
»Maulhalten! Ausziehen! Alles! Hier wird nicht diskutiert!«
Das sind Argumente, die überzeugen, und ich ziehe mich aus.
»Gürtel, Schnürsenkel, Ringe und Armbanduhren abgeben!«
»Warum denn, die brauche ich noch.«
»Wegen akuter Selbstmordgefahr!
»Aber das ist doch Unsinn. Warum sollte ich mich denn umbringen? Ich habe doch gar keinen Grund dafür.«
»Jetzt red nicht, leg die Sachen hier auf den Tisch. Komm schon mit der Armbanduhr rüber.«
»Ich muss doch wissen, wie spät es ist.«
»Hier musst du gar nichts wissen. Was du wissen musst, das kriegst du schon gesagt!«
»Aber wie soll ich mich denn mit einer Armbanduhr schon umbringen? Soll ich mir mit dem Sekundenzeiger das Herz durchbohren? Oder mich mit dem Armband selbst erwürgen?
Das ist doch keine schwere Wanduhr, an der ich mir den Kopf platt hauen kann.«
»Jetzt halt endlich das Maul, her damit, du Schwätzer!« Der Tanja-Werfer reißt mir die Uhr vom Arm ab und schmeißt sie auf den Tisch.
Alle meine Taschen werden so gründlich gefilzt, als wäre ich ein langgesuchter Mafiakurier.
»Stell dich an die Wand, dreh dich um und mach die Beine breit!«
Die beiden Zivilpolizisten, die mich hierher gebracht haben, drehen mich mit einem Ruck um und schubsen mich an die Wand des Blechcontainers.
»Beine breit machen, aber dalli!«
»Aber wieso denn ...? »
Durch einen Tritt an die Innenseite meines Fußknöchels
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