Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
Redaktion schreite und mich anstrenge, möglichst unschuldig und unbeteiligt zu wirken.
Ich beschließe, erst zu putzen und dann den Text auf den Computer zu kopieren – auch auf die Gefahr hin, dass ich vielleicht keine Zeit mehr dafür habe, weil eine der Redakteurinnen schon früher in die Arbeit kommt. Ich muss mich einfach beeilen! Also schnappe ich mir Staubsauger, Müllbeutel und was ich sonst noch alles brauche und lege los. Es dauert auch wirklich nicht lange, bis ich all meine Aufgaben erledigt habe. Zugegeben, vielleicht war ich heute nicht ganz so gründlich wie sonst, aber dafür habe ich jetzt noch genug Zeit, meine geheime Mission auszuführen.
Ich gehe also in das Büro, den Speicherstick fest in meiner Hand, und bleibe vor dem Schreibtisch stehen, auf dem das Ziel meiner Begierde, der Computer, steht. Ich drücke einen kleinen Knopf, um ihn zu starten, und während er mit leisem Summen sein System hochfährt, lausche ich nach möglichen Schritten auf dem Flur, auch wenn der dicke Teppich dort jedes Geräusch verschluckt und aus jedem Trampeln ein Schleichen macht. Deshalb öffne ich die Tür einen Spaltbreit und halte nach möglichen Ruhestörern Ausschau.
Als ich dann meinen Blick wieder dem Computer zuwende, stehe ich plötzlich vor einem Riesenproblem: dem Passwortschutz. Ich schlage mir vor die Stirn. Natürlich! Der Computer war bei meinem ersten Vergehen ja bereits an gewesen! Aber jetzt … Wo zum Teufel soll ich jetzt dieses Passwort herbekommen? Fieberhaft schwirren meine Finger über die Tastatur und geben alle möglichen Kennwörter ein, die mir auf die Schnelle einfallen: Stunning Looks, Fashion, Heidi, Gisele, Prada … Natürlich ist keines von ihnen richtig.
Ich bin so konzentriert, dass ich fast nicht bemerke, als die Tür aufgeschoben wird. Und nur ganz kurz bevor sich ein wuscheliger Frauenkopf durch den geöffneten Türspalt schiebt, springe ich wie von der Tarantel gestochen auf, und das innerhalb von Millisekunden.
Alarmstufe rot!
»Hier bist du.« Es ist eine Kollegin von mir, die für die Reinigung der Moderedaktion verantwortlich ist. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich jetzt Feierabend mache. Ich wünsch dir einen schönen Tag.«
In meinen Ohren höre ich mein Blut rauschen. »Ich dir auch. Bis morgen.«
»Bis dann.« Ihr Kopf verschwindet, und die Tür schließt sich wieder.
Puh, sie scheint nichts gemerkt zu haben. Dafür habe ich einen Puls wie nach einem Marathonlauf, und der Angstschweiß lässt mein T-Shirt an meinem Rücken kleben. So, nun aber zurück zu meinem Hauptproblem, dem Passwort.
Ich lasse mich wieder in den Drehstuhl zurücksinken und trommle mit meinem Finger hektisch auf der Tischplatte herum. Was soll ich nur tun? Ich brauche Hilfe. Das ist das Aus für Jane Bond, die Superagentin im Alleingang! Ich brauche Unterstützung, einen Assistenten. Sherlock Holmes hatte schließlich auch immer einen, und sogar die Kommissare vom Tatort sind nie allein, die dürfen ihre Fälle immer zu zweit lösen. Ich fische mein Handy aus einer Tasche meines Putzkittels und wähle, ohne lang darüber nachzudenken, die Nummer eines meiner Komplizen.
»Jan!?«, wispere ich ins Telefon, nachdem der nach einer gefühlten Ewigkeit endlich abhebt.
»Vicky?« Seine Stimme klingt noch ganz belegt vom Schlafen, und er hört sich richtig zerknittert an. Ach Mist, ich hatte ja ganz vergessen, wie früh es noch ist!
»Hab ich dich geweckt?«
»Ja.« Er gähnt. »Aber ist nicht schlimm. Warum flüsterst du? Und warum rufst du so früh an?«
»Der Computer«, zischele ich in mein schwarzes Klapphandy. »Er ist geschützt.«
»Welcher Computer?« Dann scheint es ihm zu dämmern. »Er ist passwortgeschützt? Dass ich da nicht selbst dran gedacht habe! War ja anzunehmen, dass die nicht blöd sind.«
»Was soll ich jetzt tun?«, frage ich verzweifelt und betrachte den Speicherstick, den ich in der freien Hand halte.
»Hm, keine Ahnung, ich brauch erst mal Kaffee.« Mein Kumpel geht wohl gerade in die Küche, und ich kann förmlich durch das Telefon hindurch hören, wie er in seinem Kopf nach einer schnellen Lösung kramt. »Lass ihn da.«
»Wen?«
»Den USB-Stick. Leg ihn auf die Tastatur oder an einen anderen Platz, wo man ihn gleich entdecken kann.«
»Aber … den hast du mir geschenkt! Den kann ich doch nicht einfach hierlassen!«, antworte ich aufgeregt.
»Du kriegst einen neuen!«, verspricht mir Jan. »Aber eine andere Möglichkeit haben wir nicht.« Er hat wir
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