Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
geringer!«
»Das ist ja genial!«, rufe ich. Dass Jan sich darüber Gedanken gemacht und sich etwas hat einfallen lassen, freut mich ehrlich! »Das ist echt lieb von dir! Danke!«
»Kein Problem. Wie war’s denn in der Arbeit bei dir?«
»Ach …« Ich verdrehe die Augen. »Es macht einfach keinen Spaß. Aber das habe ich ja auch nicht erwartet. Das Schlimmste ist: Ständig lockt mich dieser blöde Schreibtisch mit diesem blöden Computer!«
»Na, dann wird’s Zeit, dass du diesem blöden Ding endlich zeigst, wo’s langgeht!« Jan grinst, lüpft einen imaginären Hut, zwinkert mir zu und entschwindet dann durch meine Tür, um sich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Ich bleibe auf der Schwelle stehen und blicke auf den USB-Stick in meiner Hand, während ein leises Lächeln meine Mundwinkel umspielt.
»Da hast du dir ja schöne Komplizen angelacht«, schlussfolgert Nina, als wir im Café Jasmin sitzen und ich ihr von der Reaktion der Jungs erzähle.
»Ja, das trifft es ganz gut. Denn eigentlich ist es schon etwas Unrechtes, was ich da tue, oder?« Unsicher nage ich an meiner Unterlippe herum.
Nina zuckt die Schultern. »No risk, no fun«, erwidert sie ungerührt und lässt ihren Blick über die Kuchentheke schweifen.
»Aber was, wenn aus dem Spaß doch ganz schnell Ernst wird?« Ich bleibe skeptisch.
»Du denkst zu viel nach! Trau dich einfach, riskier auch mal was. Nur so kommt man in der Berufswelt voran. Und solltest du wirklich auf die Nase fallen, dann helfen wir dir schon wieder auf! Ich meine, sieh’s doch mal von der Seite: Wenn du anstatt einer Redaktion irgendwelche normalen Büroräume putzen würdest, dann müsstest du vielleicht auf immer und ewig Putzfrau bleiben. Du hättest dann gar nicht erst die Chance, das Ruder herumzureißen und vielleicht doch noch an deinen Traumjob zu kommen.«
Einen Moment lang sehe ich sie nachdenklich an. Damit hatte sie recht! Vollkommen recht! »So habe ich das noch gar nicht gesehen«, gebe ich zu und wickle mir eine Haarsträhne um den Zeigefinger.
»Siehst du.«
»Also soll ich es einfach versuchen?«
»Genau. Hast du denn schon eine Idee für eine mögliche nächste Kolumne?«, fragt Nina neugierig. Ich ziehe den Speicherstick aus der Tasche, den Jan mir heute Morgen geschenkt hat, und lege ihn vor ihr auf den Tisch.
»Eine? Hunderte! Und vielleicht wirst du dich in der nächsten Ausgabe schon selbst davon überzeugen können …«
Als ich an diesem Morgen das Verlagshaus betrete, spüre ich ein Kribbeln in meinem Bauch, wie ich es als Kind immer nach hemmungslosem Brausepulverkonsum hatte. Ich fühle mich wie in einem Film, wie eine Agentin in geheimer Mission, die sich unentdeckt an die Computer international bedeutender Firmen pirschen muss, um den Code zu entschlüsseln, der die Welt vor dem Untergang bewahren kann. Ich bin Bond, Jane Bond, und ich bin hier, um die Erde vor dem Aufprall eines Meteoriten zu retten, der alles Leben auf diesem Planeten innerhalb weniger Sekunden vernichten würde – und nur durch mein Zutun kann genau das verhindern werden.
Leider trage ich anstatt eines gut sitzenden Anzugs oder eines eng anliegenden Latexoveralls nur Jeans und T-Shirt und habe verschlissene Converse an meinen Füßen, aber immerhin bin ich als Undercover-Agentin unterwegs und muss mich absolut unauffällig verhalten. Nach erfolgreicher Ausführung meiner Mission werde ich dann mit meinem persönlichen Bondboy (wenn es Bondgirls gibt, muss es schließlich auch dementsprechende Jungs geben, oder?) in einem tiefschwarzen Aston Martin sitzen, und während er mir einen Martini rührt (keinesfalls schütteln!), düsen wir über italienische Küstenstraßen in den Sonnenuntergang hinein. Ach ja!
In der Realität ist mein Auftrag nicht ganz so brisant, das gebe ich zu, aber er ist für mich nicht weniger nervenaufreibend. Der Speicherstick in meiner Jeanstasche brennt förmlich durch den Stoff hindurch und versucht damit, an mein Gewissen zu appellieren. Aber: Ich habe mir fest vorgenommen, die Sache durchzuziehen. Mein Text, der sich auf dem Stick befindet, ist gut, und mein Wille, den Wischmopp endgültig und für alle Zeit gegen einen schicken Laptop zu tauschen, extrem groß. Also ignoriere ich das wilde Hämmern meines Herzens, das gegen meine Rippen schlägt, sowie das laute Rauschen in meinem Kopf und den Schweißfilm, der sich über meine Hände legt. Immer wieder wische ich sie an meiner Hose ab, während ich durch die langen Gänge der
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