Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
betrachtet mich lächelnd über die Kerzen hinweg.
»Danke schön!«, lächle ich zurück.
»In dem Licht hast du eine richtig schöne Orangenhaut.«
Mein Lächeln gefriert. »Wie bitte?«
»Doch.« Er nickt und fährt sich über die Wangen. »So schön glatt und rosig.«
Ich kann ihn nur weiter fassungslos anstarren. Orangenhaut? Ich? Ich habe keine fiese Cellulite, nicht an den Oberschenkeln, nicht am Hintern – und schon gar nicht im Gesicht! Moment mal, glatt und rosig ?
»Du meinst Pfirsichhaut«, korrigiere ich ihn und versuche angestrengt, freundlich zu klingen.
»Oh ja, stimmt, Pfirsichhaut.« Er schlägt sich vor die Stirn und lacht. »Tut mir echt leid! Das Kompliment ging wohl nach hinten los.«
Ich kann nicht darüber lachen, versuche aber zumindest, ein Lächeln aufzusetzen, während mein Inneres noch immer um Fassung ringt. Von wegen Kerzenlicht schmeichelt dem Teint! Ich beuge mich nach vorne und puste die Teelichter aus.
»Wie lange kennt du und Stephan euch eigentlich schon?«, frage ich, um das Thema zu wechseln.
»Seit dem Studium. Das ist jetzt drei oder vier Jahre her. Woher kennst du ihn denn?«
»Er ist mit meinem Bruder zur Schule gegangen. Die beiden waren zwei Stufen über mir, und ich war ihr Lieblingsopfer, wenn es darum ging, anderen Streiche zu spielen. Heuschrecken im Ausschnitt und abgeschnittene Zöpfe verbinden ein Leben lang, weißt du?« Bei der Erinnerung an diesen Unsinn muss ich grinsen, obwohl ich damals selbst die Leidtragende gewesen war.
»Und wo ist dein Bruder jetzt?«
»Er lebt in Salzburg und arbeitet dort als PR-Fachmann.«
»Aha. Und die anderen Jungs der WG kennst du auch über Stephan?«
»Nein, mit Jan bin ich schon zur Grundschule gegangen.« Ich muss plötzlich einen dicken Kloß in meinem Hals hinunterschlucken.
»Das ist der, der lieber an seinen Autos herumschraubt als an Frauen, hab ich das Gefühl, stimmt’s?«
Wow. So wenig Taktgefühl hätte ich nicht mal Chris zugetraut. Irritiert wechsele ich das Thema. »Und Andy habe ich über Jan kennengelernt. Na ja, die Welt ist ein Dorf.«
»Der hat ja jetzt eine neue Freundin, kennst du die schon? So eine kleine blonde Maus, eigentlich das perfekte Standgebläse.« Chris lacht laut, und mir bleibt vor lauter Empörung der Mund offen stehen. »Heißt Lisa oder so ähnlich.«
»Du meinst Nina«, verbessere ich ihn säuerlich. »Ja, kenne ich. Sie ist meine beste Freundin.«
»Wirklich?« Erstaunt sieht Chris zu mir – es scheint ihm kein bisschen peinlich zu sein. Ich stehe wütend auf, um das Essen zu holen, und stelle seinen Teller etwas zu heftig vor ihm auf den Tisch. »Aber sonst sind die Jungs alle echt in Ordnung«, schließt der seinen Bericht und wickelt das Besteck aus der Serviette.
»Ja«, antworte ich knapp und vermerke im Geiste viele Minuspunkte auf seinem Konto.
»Mmh, das schmeckt wirklich lecker«, meint Chris nach dem ersten Bissen.
»Freut mich. Und jetzt erzähl mal: Was machst du beruflich?«
»Ich bin Account Manager. Du weißt bestimmt nicht, was das ist, aber das ist auch sehr kompliziert zu erklären.« Aha, mit anderen Worten: Ich bin zu blöd, um das zu kapieren. Schon verstanden. Außerdem weiß ich sehr wohl, was das ist.
»Ich wollte unbedingt etwas im Büro machen, etwas Wirtschaftliches. Ich bin eher der Denker, nicht so der handwerkliche Typ. Den ganzen Tag in schmutzigen Klamotten rumzulaufen und den Dreck noch Wochen später unter den Fingernägeln zu haben, da hatte ich echt keinen Bock drauf. Außerdem, mal ehrlich: Diese Handwerksfuzzis sind doch Versager, die es nicht zu mehr gebracht haben.«
Also, das ist doch … Ich spüre, wie meine Halsschlagader zu pochen beginnt. »Also diese Handwerksfuzzis , wie du sie nennst, sind allesamt sehr clevere und saubere Menschen, manchmal noch schlauer und reinlicher als so mancher Bürohengst mit Diplom in der Tasche!«, kontere ich und schlucke meine Nudeln vor Wut unzerkaut hinunter.
»Wie du meinst … Hatte ich schon gesagt, dass das Essen echt lecker ist?«
»Ja, hast du.« Die Nudeln bahnen sich als klebriger Ball ihren Weg meine Speiseröhre hinab und ich greife nach meinem Weinglas, um ihnen auf die Sprünge zu helfen und sie ans Ziel zu spülen, bevor ich an ihnen ersticken muss.
»Ach ja. Und dass du echt gut aussiehst?«
»Ja, danke.« Und dass ich Orangenhaut im Gesicht habe …
»Gibt es auch Nachtisch?«
»Ich hab Tiramisu gemacht. Magst du ein Dessert?«
»Nein danke, ich bin nicht so der
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