Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
süße Typ.« Damit hat er allerdings recht. Nur leider habe ich das zu spät gemerkt. »Ich mag’s eher herzhaft.«
»Und scharf«, ergänze ich und schiebe meinen Teller angewidert von mir.
»Genau.« Er lächelt süffisant. »Dieses klebrige Zuckerzeug kann ich nicht ausstehen. Schokolade, Gummibärchen, Karamell und der ganze Kram …« Oder karamellisierte Erdnüsse. So wie im Mr.-Tom-Riegel. Themenwechsel, schnell!
»Sag mal, ist Chris eigentlich eine Abkürzung? Für Christian oder so?«, frage ich schnell, um die Gedanken an Jan zu vertreiben.
»Ja. Chris ist die Abkürzung für Christophorus.«
»Du meinst Christopher?«
»Nein, Christophorus«, wiederholt er nachdrücklich, und da sein Gesicht ganz ernst ist, kann es kein Scherz sein.
Entgeistert sehe ich ihn an. »Okay …«, sage ich langsam, »vielleicht ist Chris in diesem Fall wirklich besser …« Irgendwie muss ich diesen Typen wieder loswerden, und zwar schnell – nämlich jetzt. Versuchen wir es einfach mal mit der simplen Methode. Also gähne ich herzhaft.
»Oh, ist es schon so spät?« Ich sehe demonstrativ auf meine Wanduhr. »Morgen früh habe ich doch diesen wichtigen Zahnarzttermin. Wurzelbehandlung, du weißt schon.«
»Ach so, jetzt verstehe ich, wieso du gerade so viel gegessen hast. Du musstest schon mal vorsorgen, falls es die nächsten Tage nicht mehr so klappt mit dem Kauen, was?« Also ein Gentleman ist nicht gerade an ihm verloren gegangen.
»Richtig, ich hab alles in meinen Backentaschen gelagert, und nachher bringe ich es in meinen Bau, damit ich die nächste Zeit auch genügend auf Vorrat habe«, erwidere ich finster und schenke mir gluckernd ein neues Glas Wein ein. Mein Sarkasmus scheint an meinem Gast spurlos vorbeizugehen – ebenso wie mein Zaunpfahl, mit dem ich ihm auf den Kopf geschlagen habe. Warum kommt dieser Typ nicht auf die Idee, zu gehen? Bitte, bitte, bitte!
»Also, ich kann auch bis morgen früh bei dir bleiben und dich ablenken. Dann machen wir es uns noch so richtig gemütlich! Was meinst du?« Chris bedenkt mich mit einem lang geübten Casanovablick über den Rand seines Weinglases. O Mann, wie konnte ich dieses gebleichte Lächeln mal sexy finden? Ich muss irre gewesen sein.
Und wie kriege ich ihn jetzt los? Ich könnte laut rülpsen. Oder ihm von eitrigen Pickeln auf meinem Bauch berichten (die ich natürlich nicht habe), ausgeschmückt mit möglichst vielen Details. Ich könnte ihm von meiner Beute erzählen, die ich letztens aus dem verstopften Ausfluss gezogen habe (was sogar stimmt). Oder dass er der perfekte Vater für die fünf Kinder wäre, die ich mir wünsche (was nicht stimmt, denn ich mag Kinder nicht mal), und dass wir sofort mit ihrer Produktion anfangen könnten, weil ich die Pille vergessen habe und auf Kondome allergisch bin. Dabei könnte ich Sabberfäden mein Kinn hinablaufen lassen und behaupten, dass das an den Tabletten läge, die ich jeden Tag gegen meine Pyromanie nehmen müsse, weil ich sonst alles in Schutt und Asche legen würde (was natürlich nicht stimmt, aber ab und zu ein bisschen zündeln macht schon Spaß …). Ich könnte ihm erzählen, dass Caruso, der gerade brav unter dem Tisch liegt, eine Kampfhundprüfung ablegen musste, da in ihm zum Teil auch ein Stafford-Terrier steckt (was natürlich alles gelogen wäre), und er den Test nicht bestanden hat (auch wenn mein Hund sogar eine Abitur- oder Führerscheinprüfung mit Bravour meistern würde), und Caruso Männer mit komischen Vornamen nicht ausstehen kann (also mir zumindest geht es so!). Ich könnte auch anfangen, von mir immer in der dritten Person zu sprechen. Viele Leute reagieren allergisch auf so was, ich selbst miteingeschlossen. Mit welcher Horrorgeschichte soll ich nun also beginnen?
»Stephan hat erzählt, du arbeitest als Journalistin oder so was?«, unterbricht Chris meine Gedankengänge.
»Na ja, ich bin Kolumnistin bei der Stunning Looks.«
»Kolumnistin? Was ist das genau?« Ach, da weiß der Herr Account Manager mal nicht weiter, was?
»Ich bin die, die die Fragen des täglichen Lebens, denen eine Frau jeden Tag aufs Neue begegnet, kritisch unter die Lupe nimmt und sie dann genüsslich vor den Augen der Leserinnen zerstückelt.«
»Also schreibst du auch diese Männerhasstiraden, ja?« Chris’ Lächeln wirkt plötzlich sehr angestrengt.
»Also Hasstiraden würde ich das nicht gerade nennen. Ich hasse Männer nicht, ganz im Gegenteil, ich finde sie toll. Deswegen mache ich mir auch so
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