Kann es wirklich Liebe sein
flüsterte sie nur noch, als sie weitersprach. „Ich will nicht, dass Travis denkt, ich sei eine … eine liederliche Frau.“
Myra lächelte, doch diesmal war es anders. Weit entfernt von dem freundlichen, offenen Grinsen, das Meredith von ihrer Freundin gewöhnt war. Es war geheimnisvoll. „Eine Dame kann direkt und trotzdem sittsam sein, Meredith.“
Meredith beugte sich vor. „Wie?“
„Hast du jemals einen Kuss von dir aus begonnen?“
Merediths Wangen röteten sich. „Nicht wirklich. Ich habe ihn heute auf die Wange geküsst, aber Travis war immer derjenige, der die … wirklichen Küsse begonnen hat.“
„Dann überrasche ihn das nächste Mal, wenn ihr alleine seid. Nicht mit einem Küsschen, wie es dir deine Mutter gegeben hat. Streichle sein Gesicht und küss ihn so, wie dein Herz es dir sagt. Langsam. Süß. Voller Liebe, die du für ihn empfindest.“
Konnte sie etwas so Direktes tun? Meredith fuhr mit den Fingern über den Rand ihrer Tasse. Selbst wenn sie sich trauen würde, würde sie ihn überhaupt alleine erwischen? Es schien immer ein anderer Archer in der Nähe zu sein, wenn alle ihre Aufgaben auf dem Hof erledigt hatten.
„Auch wenn ihr nicht alleine seid, kannst du ihm das Gefühl geben, ihr wäret es“, fuhr Myra fort, als hätte sie Merediths Gedanken gelesen. „Such seinen Blick von der anderen Seite des Raumes aus. Lass deine Schutzmauer fallen und zeig ihm durch deinen Blick, was du wirklich für ihn empfindest. Männer fürchten die Zurückweisung. Gib ihm jeden Grund zu glauben, dass du ja sagen wirst, und er wird einen Weg finden, dir diese Frage zu stellen.“
„Aber was, wenn ich ihn nicht alleine treffe oder er nicht in meinen Augen lesen kann? Kann ich noch etwas anderes machen?“
„Schatz, wenn dein Mann so schwer von Begriff ist, hol dir seine Decke in dein Zimmer und hülle dich unbekleidet darin ein. Wenn er dann nach ihr sucht und in dein Zimmer kommt, schließ die Tür hinter ihm ab. Dann ist alles klar.“
„Myra!“ Meredith stockte vor Schock der Atem, dann musste sie plötzlich laut anfangen zu lachen, als das Bild vor ihrem geistigen Auge auftauchte.
„Du musst dir um nichts Sorgen machen, Kleines.“ Myra ergriff über den Tisch hinweg Merediths Hand. „Moses hat mir nur Gutes über deinen Mann berichtet. Er wird schon merken, was du vorhast. Und wenn es länger dauert, als dir lieb ist, dann kannst du ihm immer noch aus Versehen mit offenen Haaren über den Weg laufen oder deine Schürze so fest zubinden, dass du seine Hilfe brauchst, um sie auszuziehen. Berühr ihn so oft es geht, auch wenn ihr euch nur die Kartoffeln reicht, und sieh ihn immer dabei an. Vertrau mir, dein Mann wird den Weg in dein Zimmer schneller finden, als du die Laken richten kannst.“
Myra zwinkerte ihr zu und die Unsicherheit, die sie seit Tagen mit sich herumgetragen hatte, fiel von Meredith ab. Sie konnte es schaffen. Sie würde ihren Ehemann locken.
Meredith richtete sich ein wenig auf und trank ihren Tee aus. Die Gedanken rasten in ihrem Kopf. Myra erhob sich, um ihre Tasse nachzufüllen, und ihr Lächeln wirkte nicht länger geheimnisvoll. Meredith bemerkte, wie sich auch auf ihrem Gesicht ein Lächeln breitmachte.
Da ihr klar war, dass sie möglichst bald zurück zur Ranch musste, trank Meredith ihren Tee so schnell aus, wie es die Höflichkeit zuließ. Myra schien es nichts auszumachen. Sie sah sie nur über den Rand ihrer eigenen Tasse hinweg an. Ihre Augen glühten in einem Licht, das Meredith wieder die Röte ins Gesicht steigen ließ.
„Es tut mir leid, dass ich so eine Hektik mache, Myra. Ich habe Travis versprochen, dass ich nicht zu lange bleibe.“ Meredith erhob sich und zog Mantel und Schal an. „Das Wetter.“
„Mhm, das Wetter“, murmelte Myra und das Glühen ihrer Augen verstärkte sich.
Meredith zog den Kopf ein und versteckte ihr verlegenes Lächeln. Es war Nachmittag, um Himmels willen. Sie würde Travis wahrscheinlich erst in ein paar Stunden sehen. Es war ja nicht so, als würde sie jetzt nach Hause hetzen, um Myras Tipps direkt in die Tat umzusetzen.
Nun gut, vielleicht kam ein Teil ihrer Eile daher. Aber mit dem aufziehenden Sturm würde wirklich nicht zu spaßen sein.
Gerade, als sie durch die Tür schlüpfen wollte, kam Joshua herein und brachte eiskalte Luft mit sich.
„Du lieber Himmel!“, rief Myra erschrocken. „Wann ist es so kalt geworden?“
Joshua schloss die Tür hinter sich, doch Meredith musste immer noch zittern.
Weitere Kostenlose Bücher