Kann es wirklich Liebe sein
Hand zum Gruß, als er an der Wäscheleine vorbeiging. Der stille Mann nickte ihr zu. Er war ein wenig griesgrämig, aber Meredith hatte bemerkt, dass er sich auch seinen Brüdern gegenüber so verhielt, deshalb bezog sie sein Auftreten nicht auf sich. Die Einzige, bei der er aufgeblüht war, war Cassie gewesen. Aber Cassie hatte immer diese Wirkung auf Männer. Sie hätte einen Stein dazu gebracht, auf dem Wasser zu schwimmen, wenn sie ihn angelächelt und darum gebeten hätte.
„Ich habe einen Eintopf auf dem Herd. Fürs Abendessen“, rief Meredith Jim hinterher. Er blieb stehen, wandte sich um, doch anstatt ihr eine Antwort zu geben, griff er nach einer Hose auf der Wäscheleine und hielt sie sich an die Nase.
Roch er etwa daran?
Mit einem scheinbar zufriedenen Grunzen ließ er die Hose los und sah Meredith kurz an.
„Da muss mehr Salz rein.“ Ohne einen weiteren Kommentar machte er sich auf den Weg zum Stall.
Meredith wusste nicht, ob sie sich angegriffen fühlen sollte, da er anscheinend nicht allzu viel von ihren Kochkünsten zu halten schien, oder ob sie sich freuen sollte, weil er endlich einmal mit ihr gesprochen hatte.
Sie wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu und klammerte das Hemd an der Leine fest. Als sie ihre Hand ausstreckte, traf ein Sonnenstrahl auf den Ring an ihrem Finger und brachte ihn zum Funkeln. Meredith hielt inne, um ihn zu bewundern.
Sie war eine verheiratete Frau. Sie. Meredith Hayes.
Nein, korrigierte sie sich, Meredith Archer.
Ihr Lächeln wurde noch breiter, als sie nun eines ihrer Nachthemden aus dem Korb nahm. Sie seufzte, während sie die nasse Baumwolle ausschüttelte. Der jungfräulich weiße Stoff erinnerte sie daran, dass sie noch nicht in jeder Hinsicht eine verheiratete Frau war. Ihre Hochzeitsnacht hatte sie alleine verbracht.
Oh, natürlich war es nur aus Respekt vor ihren Gefühlen gewesen. Travis hatte es ihr erklärt. Und mit ihrem Verstand erkannte sie seine Freundlichkeit und bewunderte, dass er ihr Zeit gab, um ihn erst einmal besser kennenzulernen. Doch tief in ihrem Inneren fühlte sich sein Verhalten wie eine Ablehnung an.
Hatte er nicht bemerkt, dass ihr fast das Herz stehen geblieben wäre, als sie sich nach der Zeremonie geküsst hatten? Wahrscheinlich nicht, da er nicht gewillt zu sein schien, diese Erfahrung bald zu wiederholen. Travis hatte sie seit ihrer Hochzeit vor drei Tagen nicht mehr geküsst.
Sie hatte zwölf Jahre auf diesen einen Kuss gewartet und jetzt, wo sie ihn gespürt hatte, fühlten sich drei Tage ohne ihn wie eine Ewigkeit an. Vielleicht war Travis derjenige, der Zeit brauchte. Meredith legte den Kopf zur Seite, während sie über diesen Gedanken nachdachte. Vielleicht hatte er vorgeschlagen, dass sie mit dem Vollzug der Ehe warten sollten, weil er sich an sie gewöhnen musste. Das wäre nicht wirklich überraschend. Ihr Onkel hatte den Mann quasi vor den Altar gezwungen. Meredith stieß ein Seufzen aus. Sie befürchtete, dass sie sich in Geduld würde üben müssen.
Zumindest hatte Travis nichts dagegen, wenn sie sich berührten. Travis’ Hand schien den Drang zu haben, die ihre zu streifen, wenn sie sich beim Essen die Schüsseln reichten. Und als sie gestern während der Andacht nebeneinander auf dem Sofa gesessen hatten, hatten sich ihre Beine jedes Mal berührt, wenn sie sich zu ihm gebeugt hatte, um einen besseren Blick auf das Gesangbuch zu erhaschen. Dem Herrn hatte es hoffentlich nichts ausgemacht, dass sie mehr damit beschäftigt gewesen war, sich zu ihrem Mann zu lehnen, als sich auf sein Wort zu konzentrieren.
Meredith griff nach einem weiteren Kleidungsstück, dem grünen Baumwollkleid, das sie dank der Aschespuren dreimal hatte auswaschen müssen. Als sie sich aufrichtete, kam ihr die Melodie eines Liedes in den Sinn, das sie gestern gesungen hatten. Sie versuchte, sich an die Prioritäten in ihrem Leben zu erinnern. Zuerst Gott. Dann erst ihr Ehemann. Doch dann fiel ihr plötzlich der Vers aus dem Jakobusbrief ein. Sucht die Nähe Gottes, dann wird er sich euch nähern. Ob diese Taktik auch bei Ehemännern funktionierte?
Zwei Schüsse zerrissen die Luft. Meredith erstarrte und ließ das Kleid zurück in den Wäschetrog fallen. Dann fiel ihr wieder ein, dass dieses Zeichen für ihren Mann wie eine Art Türglocke war, und sie befahl ihrem Herzschlag, sich wieder zu beruhigen.
„Irgendwann werde ich Travis davon überzeugen, dass das aufhören muss“, murmelte Meredith, während sie das Kleid aufhob und mit
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