Kann ich den umtauschen?
würde ihr ungleich schwerer fallen, sie weiter zu verdrängen und zu verleugnen. Daran anknüpfen würde sich die Erkenntnis, dass ihr nach sechs Jahren Beziehung aufgegangen war, dass der Mann, den sie für den tollsten Mann der Welt gehalten hatte, laut ihres Tagebuchs, das sie am ersten Tag des Jahres begonnen hatte, ein Arschloch war. Und der Umstand, dass sie den Kuss nicht einfach so vergessen konnte. Und zwar, weil sie das nicht wollte. Sie wollte sich daran erinnern können. Jeden Moment, jede Nanosekunde des Kusses wollte sie im Geiste immer wieder durchleben und genieÃen. Und bitte, lieber Gott: Sie wollte ihn wieder küssen.
All diese Gedanken rauschten ihr durch den Kopf, während sie schwieg.
Und immer noch die Stirn gerunzelt hatte.
Floyd beobachtete sie.
Und dann breitete sich ganz langsam ein Lächeln auf seinem glatten Gesicht aus, und er nickte.
»Aha, verstehe. Das war nicht einfach nur ein Kuss. Das war so ein Kuss.«
» So ein Kuss?«
»Ein Dornröschenkuss. Ein Kuss, der viel mehr ist als einfach nur ein Kuss. Ein Kuss, durch den man aus einem sechs Jahre dauernden Koma erwacht ⦠Nun guck doch nicht so schuldbewusst, Alice. Ganz gleich, wer wir sind, was wir sind, wie wir sind: Wir suchen alle das Gleiche. So sind wir nun mal programmiert. Jeder möchte jemanden finden, den er lieben kann. Der ihn liebt. So ist das nun mal. Ja, gut, im Moment möchte ich vielleicht, dass diverse Damen mich in schneller, loser Reihenfolge lieben â oder auch gleichzeitig, wenn ich Glück habe â¦Â« Er grinste. »Aber weiÃt du was, Alice Cooper? Ich bin immer noch auf der Suche nach meiner Traumfrau. Nach der einen Frau, mit der ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Mit der ich alt werden möchte. Mit der ich vielleicht Kinder haben möchte. Jetzt schäm dich doch bitte nicht dafür, dass du das auch gerne möchtest, dass du auch danach suchst. So sind wir Menschen nun mal.«
»Aber ich dachte doch, ich hätte es gefunden, Floyd. Nathan war genau das, was ich mir immer gewünscht hatte.«
» War , Alice? Vergangenheit?«
Sie zuckte mit den Schultern und konnte nicht antworten.
Floyd nahm sie in den Arm, dann hielt er sie so, dass sie ihn ansehen musste.
»Menschen verändern sich, Alice. Ihre Vorlieben und Abneigungen verändern sich. Du warst dreiundzwanzig, als du ihn kennengelernt hast?«
»Mehr oder weniger.«
»Und jetzt bist du fast dreiÃig. Sechs Jahre, meine Liebe. Ãberleg doch mal, wie viel sich in sechs Jahren verändern kann. Mit zwanzig warst du doch auch nicht mehr die Gleiche wie mit vierzehn, oder? Das möchte ich doch stark bezweifeln. Quäl dich nicht damit, dass deine Gefühle sich geändert haben. Man wächst und verändert sich nun mal, und wenn man in einer Beziehung steckt, vielleicht, wenn man Glück hat, sogar in einer von Liebe getragenen Beziehung, dann kann man gemeinsam wachsen und sich verändern. Aber irgendwie klingt es nicht so, als wäre das bei euch der Fall.«
»Aber ich habe immer gedacht, dass ich in genauso einer Beziehung war! Ich dachte, dass wir für immer zusammen bleiben würden â¦Â«
»Und jetzt?«
»Jetzt bin ich mir da nicht mehr sicher. Jetzt frage ich mich plötzlich, ob ich diesen Mann je wirklich gekannt habe. Aber der Punkt ist, ich glaube nicht, dass er das Hauptproblem ist. Ich bin das Hauptproblem. Ich weià einfach nicht mehr, wer ich bin.«
Floyd nickte mitfühlend.
»Dann solltest du das mal besser herausfinden.«
»Einfach so?«
»Na ja, es gibt da ja nur einen Menschen, der es dir sagen kann.«
»Ach, ja?«
»Ja, natürlich, Alice, Dummerchen â¦Â« Sachte tippte er ihr mit dem Finger mitten auf die Stirn. »Dafür, dass du so klug bist, bist du manchmal echt ganz schön schwer von Begriff.«
»Ich?«
»Ja. Natürlich du. Wer kennt dich denn wohl besser als du selbst?«
Vielleicht hatte Floyd ja recht.
Aber wie konnte sie sich selbst noch besser kennenlernen?
Und dann hatte sie eine Idee.
Zwar hatte sie das Tagebuch verloren â aber vielleicht war es an der Zeit, jetzt mal über sich selbst zu schreiben?
»Was machst du denn jetzt?«, fragte Floyd, als sie sich Papier und Stift vom Schreibtisch holte.
»Wirst schon sehen â¦Â«
Alice fing an zu schreiben.
A  â¦
Steht für Alice.
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